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Panorama: "Estonia": Werden die Opfer des Fähren-Unglücks doch noch geborgen?

Opfer der vor sechs Jahren gesunkenen Ostseefähre "Estonia" werden möglicherweise doch noch geborgen. Berichte von Privattauchern, nach denen einige Tote außerhalb des Wracks auf dem Meeresgrund liegen, haben am Wochenende Entsetzen bei den Hinterbliebenen sowie hektische Aktivitäten der schwedischen Regierung ausgelöst.

Opfer der vor sechs Jahren gesunkenen Ostseefähre "Estonia" werden möglicherweise doch noch geborgen. Berichte von Privattauchern, nach denen einige Tote außerhalb des Wracks auf dem Meeresgrund liegen, haben am Wochenende Entsetzen bei den Hinterbliebenen sowie hektische Aktivitäten der schwedischen Regierung ausgelöst. Ministerpräsident Göran Persson kündigte noch für diese Woche Beratungen mit allen Parteien über praktische Konsequenzen an.

Die Behörden hatten bisher stets erklärt, die 757 nicht geborgenen Opfer seien im Wrack des am 28. September 1994 gesunkenen Schiffs eingeschlossen, das per Gesetz zum Grabplatz erklärt worden ist. Von den Initiatoren der umstrittenen Expedition zur "Estonia" verlangte Persson die sofortige Vorlage von Beweisen für ihre Behauptung, Taucher hätten die - teilweise noch bekleideten - Skelette von sechs bis zehn Toten einige hundert Meter vom Wrack entfernt gefunden. Sprecher der Hinterbliebenen erklärten, man werde die Leichen auf eigene Faust bergen, wenn es nicht innerhalb von drei Wochen einer Zusage der Regierung dafür gebe. Der US-Unternehmer Gregg Bemis und die deutsche TV-Journalistin Jutta Rabe hatten am Freitag in Hamburg vor Journalisten und Vertretern der Hinterbliebenen die Ergebnisse ihres einwöchigen Tauchunternehmens am Wrack präsentiert, dabei allerdings keine Bilder gezeigt. Rabe sagte: "Unsere Videofilme zeigen, dass auch in der Umgebung des Schiffes die Körper vieler Toter liegen." Das sei "ein absoluter Skandal", der weitere Aufklärung erforderlich mache.

Bei Angehörigen führte diese Mitteilung zu besonders erregten Reaktionen, weil neben der nie geklärten Frage der Verantwortung für die Katastrophe vor allem die Bergung der Toten stets umstritten war. Entsprechend dem fast einhelligen Wunsch der mehr als 3000 Hinterbliebenen im eigenen Land sowie vor allem in Estland hatte Schwedens Regierung sofort nach dem Unglück zugesichert, das gesamte Schiff und damit auch die Opfer zu bergen. Von diesem Versprechen rückte Stockholm nach mehreren Monaten ab und verfügte nun plötzlich die komplette Einbetonierung des in 80 Meter Tiefe liegenden Wracks einschließlich der Opfer. Nach heftigen Protesten der Betroffenen wurde die bereits begonnene Betonierungsaktion dann gestoppt. Die Opfer aber blieben im Schiff, daszum Grabplatz erklärt wurde.

Vor allem mit Hinweis auf den gesetzlichen Schutz des Grabfriedens verurteilte die Regierung in Stockholm das Unternehmen von Bemis und Rabe als kommerziell motivierte Sensationssuche. Sie konnte aber nicht einschreiten, weil die "Estonia" in internationalen Gewässern liegt. Rabe will ihre Aufnahmen von Skeletten in zum Teil noch unversehrter Kleidung zwar Stockholmer Regierungsmitgliedern vorführen, aber unter keinen Umständen nach Schweden reisen, weil ihr dort Strafverfolgung drohe. Die zuständige Ministerin Mona Sahlin sei im Studio ihrer Potsdamer Produktionsfirma willkommen, sagte die Deutsche schwedischen Journalisten. Sahlin hatte nach den Berichten über Leichen außerhalb des Schiffes erklärt, sie sei "sehr bestürzt".

Sprecher der Schifffahrtsbehörden in Stockholm äußerten sich skeptisch zu den Angaben von Rabe und Bemis über die angeblich gesichteten Umrisse eines Loches an der Steuerborseite der Schiffswand etwa 20 Meter vom Bugvisier entfernt. Die Existenz eines solchen Loches wurde immer wieder bei Theorien über eine Bombenexplosion vor dem Untergang des Schiffes ins Feld geführt. Nach amtlicher Auffassung führten Konstruktions- und Baufehler am Bugvisier zu dem Unglück.

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