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Der Politiker Otto von Habsburg 1972 in seiner Villa am Starnberger See vor einem Gemälde von Kaiserin Elisabeth. Foto: Georg Göbel/dpa

© dpa

Panorama: Europa war sein Reich

Otto von Habsburg ist im Alter von 98 Jahren am Starnberger See gestorben

In Österreich war er ein Mann mit einem Vor- und einem Nachnamen, er hieß schlicht „Otto Habsburg“. In Deutschland, wo er die längste Zeit seines Lebens verbrachte, hieß er „Otto von Habsburg“. Sein vollständiger Name lautet „Franz Josef Otto Robert Maria Anton Karl Max Heinrich Sixtus Xaver Felix Renatus Ludwig Gaetan Pius Ignatius von Habsburg“. Ein solcher Name könnte eine Bürde sein, aber der älteste Sohn von Karl I., dem letzten Kaiser von Österreich und König von Ungarn, hat es wohl nie so empfunden. Am Montag ist Otto von Habsburg im Alter von 98 Jahren in Pöcking am Starnberger See gestorben. Seine Herkunft machte ihn durch nahezu das ganze 20. Jahrhundert zum Getriebenen, Irrenden und Suchenden. Er wird als überzeugter Europäer und Nazi-Gegner beschrieben, aber auch als Diktatorenfreund und als Mann mit einer rückwärtsgewandten christlichen Ideenwelt.

Es gibt schlechtere Exile als die Villa in Pöcking am Starnberger See, dem See südlich von München, der die Alt- und die Neureichen anzieht. „Villa Austria“ wurde das Domizil genannt, das Otto von Habsburg 1954 bezogen hat und in dem er im Beisein seiner sieben Kinder gestorben ist.

Die Stationen seiner Kindheit und Jugend erscheinen wie Geschichten aus einer mittlerweile sehr fernen, untergegangen Welt. 1914 wurden sein Großonkel Franz Ferdinand und dessen Frau in Sarajewo ermordet – es war der Auslöser des ersten Weltkriegs. Damals war der kleine Otto zwei Jahre alt. Weitere vier Jahre später wurden die Habsburger aus Österreich gejagt, das Land erklärte sich zur Republik. In dem neuen Staat gab es gar ein „Adelsaufhebungsgesetz“. Und mehrheitlich waren die Österreicher froh, dass sie die Habsburger losgeworden sind.

Otto von Habsburg aber, der Kaiser ohne Reich, wirkte und agierte immer irgendwie wie eine Art Herrscher im Wartestand. Wenn er gerufen worden wäre auf den Kaiserthron, er hätte ihn bestiegen. „Ein Monarch zu sein, ist kein großer Spaß“, sagte er in einem Interview zu seinem 95. Geburtstag. „Ich hätte es getan, weil es meine Aufgabe gewesen wäre.“ Mit der untergegangenen Monarchie hat er nie so richtig gebrochen, auch wenn er für eine demokratische Partei, die CSU, von 1979 bis 1999 als Abgeordneter im Europa-Parlament saß. Dort saß er im außenpolitischen Ausschuss. Europa war ihm ein Anliegen, nicht nur als Ehrenpräsident der Internationalen PaneuropaUnion. Mit Gesten und Initiativen setzte er sich für Europas Einigung ein.

Die untergegangene Welt der österreich-ungarischen Dynastie hatte er nur als kleines Kind und danach aus Berichten erlebt – den Pomp und die liberale Haltung gegenüber ethnischen Minderheiten. Und doch fühlte er sich dem zeitlebens verpflichtet. Den Kaisersohn streift man nicht ab wie eine Regenjacke. Otto von Habsburg hat bei aller Kritik, die an ihm geäußert wurde, zahlreiche Verdienste erworben. So stellte er sich schon sehr früh gegen die Nationalsozialisten und versuchte, den Anschluss Österreichs zu verhindern. Dem damaligen österreichischen Kanzler bot er an, auch als Kaisersohn, übergangsweise die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Er war der Überzeugung, er könnte möglicherweise das Land vor Hitler bewahren. Doch der Kanzler lehnte ab. Während des Krieges lebte Otto von Habsburg im amerikanischen Exil.

Mit Spaniens Diktator Franco war Otto von Habsburg gut bekannt. Nachträgliche Kritik daran wehrte er mit dem Hinweis ab, Franco habe tausende verfolgter Juden ins Land gelassen, um deren Rettung sich er, Otto von Habsburg, gekümmert habe. Doch stand Franco in seinen Augen für eine Art von autoritärer, erzkatholischer Herrschaft, die er sich wohl in milderer Form für Europa gewünscht hätte.

Es gibt einige Dinge im Leben dieses Menschen, die einem heutzutage kurios und unglaublich erscheinen. Etwa dass jahrelang ein Reiseverbot für Österreich gegen ihn bestand und dieses erst Mitte der 60er Jahre aufgehoben wurde, nachdem er hoch offiziell auf alle etwaigen Ansprüche verzichtete. Oder dass er sowohl die deutsche, österreichische, ungarische und kroatische Staatsbürgerschaft hatte.

Nach seiner aktiven Zeit als Politiker arbeitete er noch lange als Autor und Vortragsredner. Zuletzt sorgte er für große Empörung wegen einiger Äußerungen. So sagte er abwertend über das US-Verteidigungsministerium: „Das Pentagon ist heute eine jüdische Institution.“

Neben seiner Frau Regina, die im Februar 2010 gestorben war, soll er Mitte Juli in der Kapuzinergruft in Wien beigesetzt werden. Gemäß einer Tradition der Habsburger wird die Herz-Urne allerdings getrennt vom Leichnam in Ungarn beigesetzt, im Kloster Pannonhalma.

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