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Kurze Übung. Lena am Samstag auf der Bühne in Düsseldorf. Vor dem Finale hat sie insgesamt nur zwei Bühnenproben.

© Reuters

Eurovision Song Contest: Mystischer Auftritt

Nächsten Samstag ist das Finale des Eurovision Song Contest in Düsseldorf. Jetzt hatte Lena ihre erste Bühnenprobe. Ihr Lied wird herausragen zwischen den zahlreichen harmlosen Up-Tempo-Schnulzen.

Wieder so ein Lena-Moment. Sie sitzt vor hunderten Journalisten auf dem Podium, unterbricht den Moderator mitten im Satz, weil ihr gerade eine Geschichte eingefallen ist. Eben in der Garderobe, da habe sie sich aus Versehen Apfelsaft übergekippt. Und das Zeug sei ihr dermaßen in die Schuhe gelaufen, dass sie die glatt ausziehen musste. Zum Beweis ihrer Barfüßigkeit hebt Lena das rechte Bein über die Tischplatte, alle aus dem Team schauen perplex. Nein, diese Show war so sicher nicht geplant.

Noch eine Woche bis zum Eurovision Song Contest, und Lena Meyer-Landrut, die Titelverteidigerin, hat Spaß. Nervös ist sie auch, das sagt sie jedenfalls auf ihrer Pressekonferenz im Nebengebäude der Düsseldorfer Arena. Am besten sei wohl, die verbleibenden Tage zu genießen: „I mean: What are we doing here?“ fragt sie ins Mikro, und dann: „This is so cool.“

Sie hat eine Kamera dabei, damit dokumentiert sie die Medienmeute vor ihr. Die hat Lena sich selbst eingebrockt, vor einem Jahr in Oslo. Erstens mit ihrem Triumph. Und zweitens mit der Entscheidung, dieses Wagnis einzugehen: als Gewinnerin den Wettbewerb nicht nur nach Deutschland zu holen, sondern auch selbst wieder anzutreten.

Das Erfrischende an dieser jungen Frau, die freche Spontaneität immer auch mit einer Brise Anarchie, hat offenbar wenig gelitten im Jahr eins nach Oslo. Trotz neuem Platin-Album, trotz Nummer-Eins-Platzierungen in zig Ländern, trotz der zwei „Echos“, trotz Auto-Werbespot und auch der Kritik: Ihre Tournee sei nicht ausverkauft gewesen, da befinde sich wohl jemand auf dem absteigenden Ast, hieß es. Selten zuvor wurde eine Pop-Sängerin dafür kritisiert, dass zu einem ihrer Konzerte lediglich 8000 Menschen erschienen.

Am kommenden Samstag werden ihr 36 000 in der Arena zuschauen, eine Woche zuvor probte sie das erste Mal offiziell. Fast ganz in Schwarz steht sie auf der Bühne, bloß den breiten Gürtel als Farbtupfer, hinter ihr verrenken sich drei Tänzerinnen und zwei Background-Sängerinnen in denselben silbrig glänzenden Ganzkörper-Gummianzügen, die Fans von der Tournee kennen. Der Kunstnebel fällt für Eurovision-Verhältnisse dezent aus, ein paar Fans vom Verein der „Lenaisten“ dürfen zusehen. Sie achten streng auf die Privatsphäre der 19-Jährigen, sagen sie. Denn die sei der Sängerin mindestens so wichtig wie ihrem Förderer Stefan Raab. In der Vereinssatzung steht: Wer Lena zu nahe kommt, wird ausgeschlossen.

Auch wieder dabei. Dana International, Siegerin von 1998.
Auch wieder dabei. Dana International, Siegerin von 1998.

© dpa

Fünf Mal hintereinander darf das deutsche Team den Song „Taken by a stranger“ proben, das düstere, ungewöhnlich moderne Stück Pop mit dem dominanten Elektrobeat. Das Lied wird sicher viele verwundern bei diesem Song Contest, manche verstören. Auf jeden Fall wird es herausragen zwischen den zahlreichen harmlosen Up-Tempo-Schnulzen, die es auch dieses Jahr wieder durch die nationalen Vorentscheide geschafft haben.

Es gab schon einmal einen Titelverteidigungsversuch. 1958 trat die Niederländerin Corry Brokken nach ihrem Vorjahressieg erneut an – und landete prompt auf dem letzten Platz. Fragen nach ihren eigenen Siegchancen beantwortet Lena Meyer-Landrut am Samstag nicht. Und solche nach ihren härtesten Konkurrenten münzt sie lieber um und zählt Gruppen auf, die sie gerne hört: die verrückten Zwillinge aus Irland, die Teilnehmer aus Serbien und Armenien.

Andere haben ihre Pressekonferenzen offensiv für Eigenwerbung genutzt. Russlands Kandidat Alex Sparrow etwa. Eigentlich heißt er Alexej Vorobjov, das schien hinderlich bei der Popstar-Werdung, also nahm er Johnny Depps Piratenname aus „Fluch der Karibik“ an. Sparrow hat viele Brustmuskeln, und als ihm ein Fan vor versammelter Presse – im besten Falle unabgesprochen – ein T-Shirt schenkt, hat der Russe Gelegenheit, seinen Oberkörper zu entblößen und nackt zu posieren. Zu den Favoriten zählt Sparrow trotzdem nicht, eher schon Dana International, die israelische Transsexuelle, die bereits 1998 den Grand Prix gewann. Bei den Proben trat sie im Designerkleid von Jean Paul Gaultier an. Das wird es bei Lena nicht geben. Das It-Bag an ihrer Schulter wirkt ein bisschen wie ein Schulranzen.

Egal wie der diesjährige Eurovision Song Contest ausgeht, eines steht bereits fest: Deutschland wird nicht zu seiner Tradition altbackener oder schnulziger Wettbewerbsbeiträge zurückkehren. Die ARD und Pro Sieben wollen auch im kommenden Jahr gemeinsam einen Kandidaten finden, erneut darf Stefan Raab dabei die Fäden ziehen. Und Lena? Die wird erstmal 20.

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