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Michail Gorbatschow bei einer Rede im September 2013 in der Schweiz.

© dpa

Ex-Kremlchef zu Kampagne von 1985: Michail Gorbatschow sieht eigenes Anti-Alkohol-Gesetz kritisch

Wodka am Arbeitsplatz, viele Scheidungen und vereinsamte Kinder: Vor 30 Jahren ging Michail Gorbatschow in der UdSSR massiv gegen die Folgen des Alkoholkonsums vor. Nüchtern betrachtet sei dies kein großer Erfolg gewesen, räumt der Ex-Sowjetpräsident heute ein.

30 Jahre nach seinem Feldzug gegen Alkoholmissbrauch in der Sowjetunion hat Ex-Kremlchef Michail Gorbatschow die damalige Kampagne als Fehler bezeichnet. Die Maßnahme hätte Schritt für Schritt und nicht so radikal eingeführt werden müssen, sagte er der russischen Tageszeitung „Komsomolskaja Prawda“ (Freitag). „Man muss sowas allmählich machen. Nicht wie mit der Axt auf den Kopf“, räumte der Friedensnobelpreisträger ein.

Vor 30 Jahren, am 17. Mai 1985, hatte die Parteizeitung „Prawda“ einen Beschluss des Zentralkomitees der KPdSU veröffentlicht, der Verkauf und Genuss von Alkohol bis etwa 1991 extrem einschränkte. Dies hatte unter anderem einen Popularitätsverlust für Gorbatschow zur Folge, der vom Volk als „Mineral-Sekretär“ verspottet wurde.

Das „trockene Gesetz“ sei bereits unter Kremlchef Leonid Breschnew vorbereitet worden, sagte Gorbatschow. „Die Menschen schrieben bittere Briefe: Ewig betrunkene Eltern kümmern sich nicht um ihre Kinder, überall gibt es Scheidungen“, schilderte er. Auch in seiner Jugendzeit als Erntehelfer im Nordkaukasus sei Hochprozentiges in Strömen geflossen. Der Beschluss habe aber fatale Folgen gehabt: „Reihenweise schlossen Geschäfte, die Schwarzbrennerei begann, und wir hatten extreme Verluste im Staatshaushalt.“

Roden von Weinbergen angeordnet?

„Am Anfang fanden sogar Trinker die Idee gut. Später unterstützten mich nur noch die Frauen“, sagte Gorbatschow. Erfolge seien aber sichtbar gewesen, so sei die Geburtenrate gestiegen und die Zahl der Todesfälle gesunken. Den Vorwurf, er habe das Roden von Weinbergen angeordnet, wies der Ex-Sowjetpräsident vehement von sich.

Er hätte damals statt einer Kampagne eine langfristige Strategie gebraucht, räumte Gorbatschow ein. „Wer die Gesellschaft ausnüchtern will, muss sich auf einen langen Kampf einstellen. Dieser Kampf hat aber nichts an Aktualität verloren.“ Der letzte Staatschef der Sowjetunion gilt als einer der Väter der deutschen Wiedervereinigung.

Experten beklagen seit Jahrzehnten einen hohen Alkoholkonsum im Wodka-Heimatland. Ein Zusammenhang zwischen der hohen Sterblichkeit in Russland und Alkohol ist seit langem wissenschaftlich belegt. Mehr als die Hälfte der Todesfälle bei Russen im Alter zwischen 15 und 54 Jahren sind internationalen Studien zufolge auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen. (dpa)

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