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Das beschlagnahmte Gemälde in Lugano.

© dpa

Experten streiten: Ist dieses beschlagnahmte Bild von Leonardo da Vinci?

Ein in Lugano beschlagnahmtes Ölgemälde soll angeblich von Leonardo da Vinci stammen. Ob das Universalgenie das Werk tatsächlich schuf, darüber streiten nun internationale Experten.

Die gesicherten Fakten lassen sich in diesem Fall kurz zusammenfassen: Die italienische Steuerpolizei und ihre auf Kunstpleite spezialisierten Carabinieri-Kollegen haben im Tresor einer Schweizer Bank in Lugano ein Ölgemälde beschlagnahmt. Das Porträt der Renaissance-Fürstin Isabella D‘Este gehört einer seit 100 Jahren im Aargau ansässigen italienischen Familie aus der Adria-Stadt Pesaro, und es sollte – laut Auftrag der Familie an ihren Anwalt – „für mindestens 95 Millionen Euro“ verkauft werden; zuletzt wurde gar über 120 Millionen Euro spekuliert. Vor dem Verhökern gerettet und der Nation zurückgegeben, so melden italienische Medien, wurde damit „ein Gemälde von unschätzbarem Wert“.

Das ist eine durchaus doppeldeutige Formulierung. Der Wert hängt nämlich an der Frage, ob die Malerei tatsächlich, wie behauptet, aus der Hand des Universalgenies Leonardo da Vinci stammt – genauso wie jenes kleine Porträt der Mailänder Fürstentochter Bianca Sforza, welches über die Jahreswende in der Renaissance-Stadt Urbino ausgestellt war. Dieses Gemälde hatte ein kanadischer Sammler als „Werk eines deutschen Malers aus dem 19. Jahrhundert“ für 20 000 Euro erstanden. Doch kaum hatte es ein britischer Kunsthistoriker dem Leonardo da Vinci eigen-, also linkshändig zugeschrieben, stieg der Kurs des bemalten Pergaments auf 107 Millionen Euro.

Verschollen, über fünf Jahrhunderte

Das es mit dem aktuell beschlagnahmten Werk auf sich hat, darüber streiten nun die Experten. Professor Carlo Peretti, der seiner herausragenden Kenntnisse wegen sogar Ehrenbürger in Leonardos toskanischem Heimatstädtchen Vinci geworden ist, befand, er „zögere bei diesem exzellenten Porträtgemälde nicht, besonders im Bereich des Gesichts einen Eingriff Leonardos zu erkennen“. Für den Rest des Werks ist also alles offen. Andere Kunsthistoriker glauben sowieso, dass von Leonardo nur die Idee stammt, die einige Schüler fertiggemalte – und dabei auch noch missverstanden haben.

Dass Leonardo die in Mantua mit einem Gonzaga verheiratete Fürstin D‘Este, eine der mächtigsten, kunstsinnigsten und meistgemalten Frauen der Renaissance, höchstpersönlich verewigt hat, das steht fest: Die im Jahr 1500, ein paar Jahre vor der „Mona Lisa“, entstandene Zeichnung hängt im Louvre von Paris. Leonardo hat der schönen Isabella auf deren mehrfaches Drängen auch ein Bild „de colore“ versprochen. Aber hat der chronisch Unzuverlässige sein Versprechen auch gehalten? Ist das jetzt gefundene Gemälde das „verschollene und über fünf Jahrhunderte gesuchte Werk“, wie italienische Medien hoffen? Oder hat in Leonardos Werkstatt nur jemand die kleine Zeichnung umgearbeitet?

Ist das Gemälde von Leonardo oder nicht?

Der Leipziger Kunsthistoriker Frank Zöllner stört sich vor allem an Palmzweig und Krone, die der Porträtierten beigegeben sind: So etwas sei „ganz und gar untypisch für Leonardo, der in seinen Werken nach Möglichkeit ohne Attribute auszukommen versucht und stattdessen auf autonome Bildmittel setzt“. Auch nach Überzeugung des Kunstexperten Klaus Albrecht Schröder ist das Werk nicht von Leonardo. „Es handelt sich um ein eher primitives und auch relativ spätes Werk“, sagte der Direktor des Wiener Kunstmuseums Albertina der Deutschen Presse-Agentur.

Gegen die Echtheit spreche auch, dass das Bildnis eine Zusammenstellung von Motiven aus verschiedensten Da-Vinci-Werken sei. „Da ist so viel da Vinci drin, da hat ein Kopist sein Mütchen gekühlt“, meinte der Kunstexperte. Er gehe auch nicht davon aus, dass in tieferen Schichten der Leinwand echte Teile eines Da-Vinci-Werkes auftauchten.

Andere sagen, da sei etwas durcheinandergeraten und aus der Fürstin Isabella mittels Palmzweig und Krone eine (früh-)christliche Märtyrin gemacht worden. Die Wetten gehen in Richtung Katharina von Alexandria, welche als eine der „14 Nothelfer“ große Beliebtheit im gläubigen Volk genoss, aber ihrerseits auch wieder eine historische Fälschung ist.

Wie auch immer: Der frisch beschlagnahmte „Leonardo“ soll jetzt auf Herz und Pigment und Nieren untersucht werden. Immerhin scheint das Gemälde nirgendwo gestohlen worden zu sein – anders als so viele andere italienische Kunstwerke, und anders auch als jene 543 historisch hoch wertvollen Bücher, die aus italienischen Bibliotheken geklaut worden waren und vor drei Jahren im renommierten Münchner Auktionshaus Zisska & Schauer beinahe versteigert worden wären: Die Staatsanwaltschaft München hat am Mittwoch angekündigt, sie an Italien zurückzugeben. Herbert Schauer, der damalige Chef des Hauses, ist dort bereits – noch nicht rechtskräftig – zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

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