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Panorama: Experten üben heftige Kritik an angstschürendem "Plusminus"-Beitrag - Radiumwerte sind seit langem bekannt

Ist alles nur ein Sturm im Wasserglas? Mit dieser einleitenden Frage hatte der Moderator der WDR-Sendung "Plusminus" die Bewertung eines schon im Vorfeld vielbeachteten Beitrags zum Radium-226-Gehalt von Mineralwasser schon vorweggenommen.

Ist alles nur ein Sturm im Wasserglas? Mit dieser einleitenden Frage hatte der Moderator der WDR-Sendung "Plusminus" die Bewertung eines schon im Vorfeld vielbeachteten Beitrags zum Radium-226-Gehalt von Mineralwasser schon vorweggenommen. 16 Mineralwässer waren im Auftrag des Senders von der in der Nähe von München angesiedelten Firma Hydroisotop GmbH analysiert worden. Sieben von ihnen wurden in der Sendung als gänzlich unbelastet oder gering belastet, vier als stärker belastet klassifiziert. Fünf der Wässer überschritten der Darstellung zufolge die Grenzwerte der USA und arabischer Länder. Die gemessenen Werte seien "gesundheitsrelevant", hieß es.

Experten äußerten sich gestern erneut bestürzt über die Sendung, die ihrer Ansicht nach falsche Informationen enthalte, falsche Bezüge herstelle und die Zuschauer in die Irre führe. Radium-226, ein Zerfallsprodukt von Uran-238, ist radioaktiv. Es kommt in der Natur überall in Gesteinen und Pflanzen vor. Dieses natürlich vorkommende Radium-226 gilt nach Angaben von Experten in denjenigen Konzentrationen, die in den Mineralwässern gefunden wurden, als unbedenklich. Die in der Sendung gemachte Aussage, es sei wissenschaftlich längst erwiesen, dass das Krebsrisiko mit dem Radiumgehalt steige, stimmt so nicht: Auch in Gegenden mit 50-fach höherer natürlicher Belastung ist das Krebsrisiko nicht größer, sagte gestern Rolf Michel, Leiter des Zentrums für Strahlenschutz und Radioökologie der Universität Hannover dem Tagesspiegel.

Die Zahlen, die "Plusminus" präsentierte, sind vom Informationsgehalt nicht neu. Aus Italien und Frankreich gibt es schon Daten aus den 60-er Jahren, und im Jahr 1987 wurden in Deutschland die Ergebnisse einer Studie publiziert, die beim Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene im Auftrag des damaligen Bundesgesundheitsamtes durchgeführt worden war. Nach der Untersuchung von 273 "handelsüblichen Flaschenwässern" kam man damals zu dem Schluss, vom Radium-Gehalt der Wässer ginge keinerlei gesundheitliche Gefährdung aus. Nach Ansicht Michels gibt es keinen Grund, daran jetzt zu zweifeln: "Die Strahlenbelastung, der ein Reisender bei einem Flug von Deutschland nach Fernost ausgesetzt ist, entspricht genau der zusätzlichen Belastung, der ein Säugling bei vollständiger Flüssigkeitsversorgung mit dem Mineralwasser, bei dem die höchsten Werte gefunden wurden, im Jahr ausgesetzt wäre." In der "Plusminus"-Sendung wurde gesagt, dass die Radiumwerte in Mineralwässern zum Teil über dem Grenzwert für die zulässige Radium-Belastung von Abwässern aus Uranaufbereitungsanlagen liegen. Dieser Hinweis führt in die Irre. Die Grenzwerte für Abwässer beziehen sich zum einen auf künstliches Radium (das im Gegensatz zu dem in der Natur vorhandene Radium in gleichen Konzentrationen gefährlich sein kann) und zum anderen hat der niedrige Grenzwert bei Abwässern den Sinn, möglichst frühzeitig auf eine technische Panne in der Aufbereitungsanlage hinzuweisen. Der Grenzwert bezieht sich nicht auf eine maximale Verträglichkeit.

Der Berliner Umweltexperte Karl Aurand, früher Leiter des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, zeigte sich bestürzt darüber, wie die Sendung Ängste schürt. Sven-David Müller vom Verein zur Förderung der gesunden Ernährung, in dem sich Diätassistenten, Ernährungswissenschaftler, Apotheker und Ärzte zusammengeschlossen haben, befürchtet: Statt den Verbraucher zu einem gesunden Verhalten zu ermuntern, werde durch das Schüren von Angst die Einschaltquote erhöht.

Adelheid Müller-Lissner

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