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Schneeballeffekt. Rund 21 Millionen Menschen besuchten die Expo in Mailand. Das führte an vielen Tagen auch zu Gedränge an den Eingängen.

© Lutz Haverkamp

"Expo 2015" in Mailand: 21 Millionen Besucher - ein großer Erfolg

Mailand hat gegen alle Erwartungen mit 21 Millionen Gästen eine erfolgreiche Expo hinter sich gebracht. Gegen die Mafia und die eigene Bürokratie.

Von einem frustrierten italienischen Industriellen stammt der Satz: „Wenn eine Pizzeria irgendwo in der Welt zehn Sorten Pizza anbietet, sind die Kunden glücklich. In Italien kannst du sechzig Sorten Pizza backen, und die Italiener wollen garantiert die Nummer 61 oder 62.“

Gemessen an diesem Satz ist in Italien so etwas wie ein Wunder geschehen: Mit der Weltausstellung in Mailand, die diesen Samstag ihre Tore schließt, sind endlich einmal alle zufrieden. Von einem „großen Erfolg“ spricht – nicht uneigennützig, aber auch nicht grundlos – Regierungschef Matteo Renzi; Staatspräsident Sergio Mattarella sagt, in Mailand habe sich gezeigt, wozu ein Italien fähig sei, das sich zu vereinter Anstrengung zusammenschließe: „Weiter so!“ Sogar die Hotels – bei gut zwanzig Prozent höherer Auslastung als zu normalen Zeiten – jammern leiser als üblich. Und das will etwas heißen.

Sechs Monate stand die „Expo 2015“ unter dem Motto „Den Planeten ernähren – Energie für das Leben“. Mit 21 Millionen Besuchern (in Hannover 2000 waren es 18 Millionen) wurde zwar das ursprüngliche Ziel um eine Million übertroffen; dazu beigetragen haben aber auch kleine Tricks unter Freunden: verloste Eintrittskarten beispielsweise oder die Feierabendtickets zum Preis von fünf Euro. Diese haben auch zahlreiche Mailänder angelockt, die sich eine normale Tageskarte von 39 Euro nicht hätten leisten können oder wollen.

Darüber hinaus hat aber auch die Mundpropaganda begeisterter Gäste in den letzten Wochen einen regelrechten Schneeballeffekt erzeugt. So lange Schlangen wie jetzt im Herbst gab es vorher nie. Vor dem japanischen Pavillon, dem beliebtesten, warteten die Schaulustigen geduldig bis zu viereinhalb Stunden; vor dem deutschen Pavillon, den „Feldern der Ideen”, betrug die Wartezeit bis zu zwei Stunden. Hatten die Deutschen Anfang Oktober noch von zwei Millionen Besuchern innerhalb von fünf Monaten gesprochen, so dürften seither bis zu einer Million weitere gekommen sein.

Ein gewisses Defizit in den Kassen

In den öffentlichen Kassen wird die Schau ein gewisses Defizit hinterlassen – als Marge für eine „schwarze Null“ war eine Besucherzahl von 24 Millionen angepeilt –, den Besucherumfragen und den professionellen Marktanalysen nach kann Mailand aber mit einem dicken Plus an weltweiter Bekanntheit, an gutem Ruf und touristischer Nachhaltigkeit rechnen. Dennoch: aus dem Ausland waren mehr Besucher erwartet worden als die sieben Millionen, die tatsächlich angereist sind.

Anfangs wäre die Expo beinahe im landesüblichen Unterholz von Korruption, Mafia, Bürokratie hängen geblieben. Dann warf sich die Regierung ins Zeug, fand in Giuseppe Sala einen derart durchsetzungsstarken und effizienten Manager, dass sie dem heute 57-Jährigen mittlerweile schon das Mailänder Bürgermeisteramt antragen. Und Premier Renzi schickte den Chef der Nationalen AntiKorruptionsbehörde, den früheren Mafiajäger Raffaele Cantone mit Sondervollmachten los. So wurde wider Erwarten so gut wie alles rechtzeitig zur Eröffnung fertig. Es geht also, wenn man nur will, sagt man sich heute in Mailand angesichts des Sumpfs, in dem zur Zeit die ewige Nebenbuhlerin, die Hauptstadt Rom, untergeht. „Mailand wird zum Motor Italiens, ja Europas”, heißt es, und Korruptionsbekämpfer Cantone nennt Mailand sogar schon die „moralische Hauptstadt“ Italiens; Rom habe „keine Antikörper“ gegen die Kriminalität.

Mailänder Menschenmengen. Die Besucher der Expo nahmen auch stundenlanges Warten vor den Pavillons der einzelnen Nationen in Kauf. Das Bild zeigt die Ausstellungshalle Thailands.
Mailänder Menschenmengen. Die Besucher der Expo nahmen auch stundenlanges Warten vor den Pavillons der einzelnen Nationen in Kauf. Das Bild zeigt die Ausstellungshalle Thailands.

© Lutz Haverkamp

Jetzt müssten nur die 20 000 meist jungen Leute, die nach sechs Monaten als Hostessen und Stewards in den Pavillons (111 bei den Deutschen) auf der Straße stehen, einen neuen Arbeitsplatz finden. Und die Mailänder müssten allmählich wissen, was sie mit dem hundert Hektar großen Expo-Areal anstellen wollen, wenn die Länderpavillons spätestens nächstes Frühjahr abgerissen sein werden. Ein riesiges Messegelände haben sie ja schon, das liegt gleich nebenan. Und so drohen die wenigen Bauwerke, die stehenbleiben sollen – das Freilufttheater von durchaus Weltformat, der in leuchtend weißem Beton gefertigte Hauptklotz des „Padiglione Italia“ sowie die 37 Meter hohe, für seine Lichtinstallationen so beliebte Skulptur „Baum des Lebens” – zu Ruinen in einer vorstädtischen Wüste zu werden.

Ein Universitäts-Campus könnte die Brache nächstes Frühjahr wieder ergrünen lassen, heißt es neuerdings, eine in schlagkräftiger Zusammenarbeit geballte Ansammlung von Hightech-Firmen, ein italienisches „Silicon Valley“, könnte die Weltausstellung beerben. Konkret ist aber am Tag der Expo-Schließung immer noch nichts. Am 10. November will Premier Renzi eigenem Bekunden nach erzählen, was die Regierung vorhat – falls sie das bis dahin selber weiß. Die Antikorruptionsbehörde bleibt jedenfalls bis Ende 2016 am Ort. Es könnte sich ja bei den nun folgenden Abbau- und Erdbewegungsarbeiten doch wieder die Mafia einschleichen. Sie betreibt genügend Tarnfirmen gerade für solche Aufträge, vor allem dort, wo keiner hinschaut.

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