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Panorama: Expo: Hannover, durchaus (Kommentar)

Von Hannover hatte der größte Künstler, den die Stadt im 20. Jahrhundert aufzuweisen hat, keine ganz hohe Meinung; aber auch keine niedrige.

Von Hannover hatte der größte Künstler, den die Stadt im 20. Jahrhundert aufzuweisen hat, keine ganz hohe Meinung; aber auch keine niedrige. Kurt Schwitters las ihren Namen vieldeutig als "Revonnah", und in seiner ambivalenten Haltung mag sich die Stadt getrost aufgehoben fühlen.

Hannover sei der denkbar falsche Ort für eine Weltausstellung, lästerten böse Zungen von Anfang an. Auch das ist so richtig wie falsch. Denn natürlich ist Hannover nicht gerade der Treffpunkt der Welt, aber andererseits ist es ziemlich egal, in der Peripherie welcher Stadt eine Expo stattfindet, wenn sie denn nur gut zu erreichen ist.

Überhaupt käme ja keiner zur Expo, wusste alle Welt gleich nach der Eröffnung, und lag damit erneut zugleich richtig und falsch. Richtig, weil die zuvor hinaustrompeteten Prognosen von 40 Millionen Besuchern bereits im Juni jämmerlich zusammensanken, und falsch, weil dem unbefangenen Augenschein nach respektable Völkerscharen vor und in den Pavillons herumwandern, wenn sie nicht gerade in einer der vielen Warteschlangen ausharren, was wiederum nicht eben für Besuchermangel spricht.

Kurzum: die Expo 2000 hat ein Wahrnehmungsproblem. Verursacht worden ist die Diskrepanz zwischen Augenschein und (Vor-)Urteil von der völlig verfehlten Argumentation, mit der Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel die öffentlichen Zuwendungen für das Weltspektakel rechtfertigen wollte. Da war nur von Zahlen die Rede, von Steuerrückflüssen, Rentabilität und zuallererst von jenen ominösen 40 Millionen Zuschauern, mit denen sich die ganze Investition rechnen sollte. Sie rechnet sich aber nicht - zumindest nicht in jener Grundrechenart, die Frau Breuel und ihre Mitstreiter allein beherrschen, und die die kulturelle Dimension der Weltausstellung beschämend weit verfehlt. Hätte man die Expo als die großartige Chance begriffen, dieses Land in einen intensiven Dialog mit - tatsächlich - der ganzen Welt zu bringen, einen Dialog über Eigenes und Fremdes und über gemeinsame Zukunftsfragen - man wäre gar nicht auf den Gedanken der buchhalterischen Fixierung auf abzuschöpfende Eintrittsgelder gekommen. Man hätte stattdessen die Qualität des individuellen Besuchserlebnisses in den Vordergrund gerückt, etwas, das dank des geringer ausfallenden Zuspruchs derzeit gegeben ist und, wie die mit 95 Prozent astronomisch hohe Zufriedenheit zeigt, vom Publikum auch empfunden wird.

Soeben feierte die Expo "Halbzeit". Immer noch ist von Besucherzahlen die Rede, nur dass sie jetzt etwas niedriger ausfallen. Wieder falsch: denn jeder Besucher ist ein Erfolg. Die Expo ist Unterhaltung, gewiss; aber auf bemerkenswertem Niveau. Und sie zeigt unangestrengt, was in diesen Tagen gar nicht deutlich genug gezeigt werden kann: nämlich ein modellhaftes, friedliches Miteinander auf unserem kleinen Planeten Erde.

Und das in Hannover!, hätte Schwitters sich gewundert.

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