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"Fall Benjamin": Eltern zu jeweils viereinhalb Jahren Haft verurteilt

Das Landgericht Stendal bringt die Eltern des toten Benjamin für jeweils viereinhalb Jahre hinter Gitter. Die Todesursache des stark vernachlässigten Jungen bleibt weiterhin ungeklärt.

Stendal - Das Landgericht Stendal verurteilte die 27 Jahre alte Mutter und den 28 Jahre alten Vater des damals Zweijährigen wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in drei Fällen. Der Vorsitzende Richter Gerhard Henss sagte, die Todesursache von Benjamin bleibe ungeklärt. Der Junge sei wahrscheinlich an einer Infektion gestorben.

Die Eltern aus Schlagenthin (Jerichower Land) hätten ihre Kinder "böswillig vernachlässigt", betonte Henss. Ab August 2003 hatten sie sich nicht mehr um drei ihrer insgesamt sechs Kinder im Alter von einem bis acht Jahren gekümmert. Die stark verweste Leiche von Benjamin war Ende Februar 2006 in einer Tonne auf dem Grundstück der Familie gefunden worden. Seine Schwester Jasmin und sein Bruder Konstantin hatten laut Gutachten Entwicklungsrückstände. Vor allem Konstantin, der im Krankenhaus behandelt werden musste, habe mit Erfrierungen beider Beine, Mangelernährung und Krätze "ein Bild des Jammers" geboten, sagte der Richter.

Den Kindern Zuwendung vorenthalten

Während die Eltern dem Nachwuchs Nahrung verweigerten, waren Mutter und Vater gut ernährt. Das Kinderzimmer sei eiskalt gewesen, das Wohnzimmer dagegen "prächtig beheizt". Die Kinder hätten kaum Spielzeug gehabt, während ein Schrank voll von neuem Spielzeug gewesen sei. Die Eltern hatten mehrere Fernseher und einen Computer. Der Richter warf ihnen vor, ihren Kindern Zuwendung vorenthalten zu haben.

Der Vorsitzende Richter verwies darauf, dass in Deutschland ein Prozent der Kinder im Alter bis zehn Jahren, insgesamt rund 80.000, von Straftaten der eigenen Eltern betroffen oder bedroht seien. 15 Prozent der Eltern hätten massive Erziehungsprobleme. Das Jugendhilferecht sei im Wesentlichen ein "Elternhilferecht". Das Gesetz gehe von "guten Eltern" aus. Die Mitarbeiter des zuständigen Jugendamtes in Burg trügen weder strafrechtlich noch moralisch Schuld am Tod von Benjamin. Den Jugendämtern stünden keine wirkungsvollen Maßnahmen zur Verfügung, wenn "erziehungsungeeignete Eltern" Hilfe ablehnten.

Haustiere waren der Mutter wichtiger

Wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen hatten die Verteidiger der Angeklagten jeweils drei Jahre Haft und die Staatsanwaltschaft jeweils fünf Jahre Haft gefordert. Die Kinder hätten vom Tag ihrer Geburt an ein Martyrium durchgemacht, sagte Oberstaatsanwältin Ramona Schlüter in ihrem Plädoyer. Die Haushalte der Familien in verschiedenen Orten seien nach Aussagen von Zeugen verdreckt gewesen, und es habe ein übler Geruch geherrscht. Der Mutter seien offenbar Hunde, Katzen und Kaninchen wichtiger gewesen als ihre Kinder.

Der Vater hat alle fünf Kinder zur Adoption freigegeben, die Mutter die beiden jüngsten. Die Angeklagten hatten während der Verhandlung geschwiegen. Erst nach den Plädoyers der Verteidigung sagte der Vater: "Es tut mir Leid, was geschehen ist. Ich hoffe, dass mir meine Kinder noch einmal verzeihen." (Von Ramona Köhler, ddp)

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