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Fall Nadja: Das Dilemma der Aids-Hilfe

Aufklärung braucht einerseits Aufmerksamkeit, aber auch Unaufgeregtheit. Der Fall Nadja Benaissa sorgt sicher für ersteres, doch führt auch zu einem Gefühl der Kriminalisierung der Krankheit. Das schadet der Prävention.

Die Deutsche Aids-Hilfe wie auch andere Aufklärer in dieser Sache haben nach der Verhaftung der No-Angel-Sängerin verhalten reagiert. Sie befinden sich bei diesem Thema in einem Dilemma. Aufklärung braucht einerseits große Aufmerksamkeit. Diese sinkt, je länger die Jahre der großen Angst zurückliegen. Auf der anderen Seite ist Aufklärung beim Thema HIV immer auch sehr stark auf Unaufgeregtheit angewiesen. Kriminalisierung oder ein erhobener Zeigefinger schaden der Prävention. Der Sprecher der Deutschen Aids-Hilfe, Jörg Litwinschuh, erklärt diese Haltung. „Es sollte in der Berichterstattung mehr Wert darauf gelegt werden, dass jeder Eigenverantwortung zeigt und seinen Teil beiträgt zum Schutz“, sagt Litwinschuh. In der Berichterstattung seien vor allem „Reflexe“ am Werk.

Die Frau werde als böse abgestempelt und über das eigene Sexualverhalten werde nicht nachgedacht. „Dabei ist das Wichtigste, dass jede Generation von Neuem lernt, mit HIV und Sex umzugehen.“ Konkret sieht Litwinschuh zwei Gefahren durch die Berichterstattung: Erstens, dass manche Menschen sich noch stärker in Sicherheit wähnen, weil sie sich durch den Staat geschützt fühlen. „Das geht nach dem Motto: Wer HIV weitergibt, würde sich ja strafbar machen, also wird das kaum passieren.“ Zweitens fürchtet er, dass Menschen, die glauben, sich möglicherweise infiziert zu haben, sich gar nicht mehr testen lassen, weil sie befürchten, kriminalisiert zu werden.

Juristisch gesehen wären sie sicherer dran, wenn sie ihren Status nicht kennen, da sie nur dann eine Straftat begehen könnten, wenn sie wüssten, dass sie HIV-positiv seien. „Da kommt einfach ein Druck in die Geschichte, der der Präventionsarbeit schadet.“ Am liebsten wäre Litwinschuh eine ganz andere Konstellation gewesen im Fall der No-Angel-Sängerin. „Wäre es jetzt nicht zur Straftat gekommen, sondern sie hätte einfach nur gesagt: ,Ich bin HIV positiv’, dann wäre das ein ganz anderer Ansatz gewesen, und eine bessere Präventionsbotschaft.“ So schrecke es aber vor allem andere Menschen ab, mit ihrer Infektion offen umzugehen. „Wir haben natürlich auch Kontakt mit anderen prominenten Frauen, die HIV-positiv sind, aber die derzeitige Situation macht es diesen Menschen eher schwerer, ihre Krankheit öffentlich zu machen.“

In der jetzigen Aufmerksamkeit sieht Litwinschuh aber auch eine Chance: „Vor allem bei jungen Menschen ist das jetzt viel stärker im Gespräch.“ In den letzten Jahren sei die Berichterstattung zu HIV stark zurückgegangen. „Aber jetzt unterhalten sich auf den Schulhöfen in ganz Deutschland die Kinder über dieses Thema.“ Das müsse man nutzen.

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