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Panorama: Falsch geimpft?

Experten beruhigen: Grippeimpfstoff begrenzt wirksam

Droht Deutschland eine große Grippe-Epidemie? Die Meldungen der letzten Tage waren nicht sehr beruhigend. Im Großraum Paris ging am Wochenende das Gesundheitswesen in die Knie. Außerdem verwirrte die Meldung, dass der Grippe-Impfstoff nicht das aktuelle Fujian-Virus aus China im Visier hat, sondern das ältere Panama-Virus. Wurden in den letzten Wochen alle gegen das falsche Virus geimpft? Die Antwort ist eindeutig: Ja.

Trotzdem beruhigen die Experten. Die Impfung habe auch einen Schutzeffekt bei dem neuen Virus, nur ist er geringer als bei einer Impfung gegen das richtige Virus. Wieviel geringer der Schutz ist, ist nur schwer festzustellen und eine Untersuchung dieser Frage würde so lange Zeit in Anspruch nehmen, dass das Virus längst wieder verschwunden ist.

Viele Prominente litten und leiden unter Grippe, vor allem Sportler. Allen voran der Bayern-Kicker Sebastian Deisler, der zudem wegen Depressionen klinisch behandelt wird. Auch andere Bundesliga-Spieler meldeten sich wegen Grippe krank. Dass Hertha-Trainer Huub Stevens so schlecht aussieht, liegt nicht nur am Abschneiden seines Clubs. Die erfolgreiche Slalomfahrerin Anja Pärson aus Schweden leidet ebenso unter Grippe wie der Basketballstar Dirk Nowitzki.

Susanne Stöcker, Sprecherin des Paul Ehrlich-Instituts in Marburg, weist darauf hin, dass die Grippeimpfung nie hundertprozentig wirke. Und in internationalen Expertengremien habe man sich bewusst dafür entschieden, das Fujian-Virus nicht einzubeziehen. Denn es lasse sich nur schlecht vermehren, und daher wäre es nicht möglich gewesen, rechtzeitig ausreichende Impfstoffmengen herzustellen. Deshalb habe man sich entschlossen, lieber das verwandte Panama-Virus zu berücksichtigen.

„Lieber viele mit einem nicht genau passenden Impfstoff schützen als wenige mit einem genau passenden ", sagte Susanne Stöcker dem Tagesspiegel. Beim Paul Ehrlich-Institut hält man es für verantwortungslos, nur wegen einer auflagenfördernden „schlechten Nachricht" einen brauchbaren Impfstoff in Misskredit zu bringen und so vielleicht Leben zu gefährden. Eine Virologin Regine Heilbronn vom FU-Institut für Infektionsmedizin stimmt dem zu. „Man muss immer das, was technisch machbar ist, in Übereinstimmung bringen mit dem, was wünschenswert wäre." Da es praktisch kein wirksames Medikament gegen die echte Grippen gebe, sei die Impfung trotz aller Schwächen dringend zu empfehlen, vor allem Älteren, chronisch Kranken und beruflich Infektionsgefährdeten.

Wiegeln die Experten womöglich ab, um einer „Impfmüdigkeit" vorzubeugen? Mitnichten. Schon vor drei Jahren (im „Epidemiologischen Bulletin“ Nr. 37 vom 15.9.2000) schrieb das Robert Koch-Institut: „Der Schutz vor einer Influenza bzw. deren Komplikationen wird vom Gesundheitszustand, vom Alter und vom Grad der Übereinstimmung von Impfvirus und zirkulierendem Influenzavirus mit bestimmt und wird zwischen 40 und 80 Prozent angenommen. Bei einem Teil der Geimpften wird der Ausbruch der Erkrankung verhindert, bei den anderen der Verlauf entscheidend gemildert." Die Leiterin des „Nationalen Referenzzentrums für Influenza" beim Robert Koch-Institut, Brunhilfe Schweiger bestätigt das und betont: „Auch wenn der Impfschutz nicht vollständig ist und im Vergleich zu anderen Jahren mehr Erkrankungen auftreten könnten, sind doch Komplikationen wie die gefährliche Lungenentzündung zu verhüten und damit wahrscheinlich Menschenleben zu retten."

Es scheint also eher so zu sein, dass bisher zuweilen die Wirksamkeit der Grippeimpfung zu positiv dargestellt wurde – weil es nichts Besseres gibt, um sich vor den nicht selten tödlichen Folgen zu schützen.

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