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Panorama: Fataler Fehltritt

Die schwedische Königsfamilie soll an der Abholzung brasilianischer Tropenwälder verdient haben

Das Ansehen seiner Königlichen Hoheit Carl XVI Gustaf von Schweden gerät erneut ins Straucheln. Jetzt wird er von seinen Untertanen beschuldigt, mit der Rodung des brasilianischen Regenwaldes mächtig Holz gemacht zu haben.

Die schwedische Zeitung „Dagens Industri“ hatte am Dienstag aufgedeckt, dass die Investmentfirma des Königs und seiner Familie Geld in den Holzkonzern „Aracruz“ gesteckt hatte – eine brasilianische Firma, die selbst bei gemäßigten Umweltschützern als Schreckensbeispiel für ökologischen und menschlichen Raubbau gilt.

„Die Firma ‚Aracruz’ ist politisch ein sehr heißes Eisen, und das schon seit vielen Jahren. Man muss sich deshalb darüber bewusst sein, in was da investiert wurde“, sagte Maria Rydlund, Regenwaldexpertin des schwedischen Naturschutzverbandes. Laut der Ökonomieverwaltung des königlichen Hofes ist klar, dass der König über die Investition in Brasilien informiert wurde. Und der sieht sich eigentlich als großen Umweltfreund. Er ist immerhin Vorsitzender des Vertrauensrates des Weltnaturfonds.

Auch Mikael Karlsson, Vorsitzender des schwedischen Naturschutzvereins, ist die königliche Unwissenheit unbegreiflich. „Ich habe bereits früher Waldfragen mit dem König diskutiert und er wirkte sehr bewandert und interessiert. Ich würde niemals Geld in dieses umweltschädliche Unternehmen stecken, wenn der ausdrückliche Grund nicht wäre, die Firma durch Investitionen von innen heraus positiv, das heißt umweltfreundlich zu beeinflussen“, sagte er.

Der Konzern, so die Kritiker, habe auf indirektem Wege mit Hilfe königlicher Gelder, die großteils vom schwedischen Steuerzahler kommen, umfangreiche Waldgebiete an der Atlantikküste Brasiliens abgeholzt – Gebiete, die besonders für ihren Artenreichtum bekannt waren.

Nach der Entfernung des natürlichen Waldes machte „Aracruz“ die freien Flächen zu Eukalyptus-Plantagen, um damit auf effizientere Weise Rohstoffe für die Papierherstellung zu gewinnen.

„Es handelt sich um ein kontroverses Unternehmen“, räumte auch Lars Kristoferson ein, Generalsekretär des gemäßigten schwedischen Weltnaturfonds. Dennoch sagte er gegenüber der Tageszeitung „Svenska Dagbladet“, dass sich der Konzern inzwischen etwas verbessert habe und gewisse Projekte sogar als umweltschonend klassifiziert wurden.

Diese ‚Verbesserungen’ sind laut der Umweltexpertin Linda Engström allerdings mit Vorsicht zu genießen: „Die riesigen Plantagen können zwar auf schonende Weise von ‚Aracruz’ betrieben werden, aber es darf nicht vergessen werden, dass es diese Plantagen nur gibt, weil der Konzern vorher rücksichtslos den Wald abgeholzt hat.“

Auch der alternative Waldschadensbericht zweier deutscher Umweltorganisationen, der am Dienstag in Berlin zeitgleich mit dem offiziellen Waldzustandsbericht der Bundesregierung veröffentlicht wurde, kommt zu einer eher düsteren Bewertung der Machenschaften von „Aracruz“. Danach soll der Konzern die Indianerstämme Tupinikim und Guarani ihrer Lebensgrundlage beraubt haben. Sie fordern seit Jahren lautstark ihre Ländereien zurück – ein Konflikt, der international für Schlagzeilen sorgte und auch dem schwedischen König nicht entgangen sein sollte. Im letzten Jahr besetzten Ureinwohner 11 000 Hektar der Konzernländereien und Fabrikanlagen, um auf ihre Entrechtung aufmerksam zu machen.

Kristoferson vom Weltnaturfonds will sich zwar nicht einmischen, wo die Königsfamilie ihre Gelder platziert, sieht aber die Beziehung des Konzerns zu den Indianern als problematisch an. „Bezüglich des kritischen öffentlichen Bildes des Konzerns sollte man Investitionen vielleicht überdenken“, sagte er gegenüber schwedischen Medien.

Konfrontiert mit den Vorwürfen zeigte sich der Hof zunächst äußerst reserviert. Von der allgemein bekannten Kritik am brasilianischen Unternehmen habe man nichts gewusst. „Schließlich gibt es so viele unterschiedliche Auffassungen über die meisten Unternehmen in dieser Welt“, sagte der königliche Ökonomieverwalter Bengt Telland der Zeitung „Aftonbladet“.

Auch wenn völlig unbegreiflich ist, wie der königliche Hof ohne Wissen über den schlechten Ruf des Konzerns Gelder investieren konnte, zumal gerade Königin Sylvia durch ihre Familie eng mit Brasilien verbunden ist, zeigte sich der Hof nun gegenüber der heftigen, öffentlichen Kritik deutlich reumütiger. „Wir werden unsere Investitionen überdenken“, versprach die königliche Pressesprecherin Nina Eldh. Und Wirtschaftsverwalter Telland räumte vorsichtig ein, dass kontrolliert werden müsse, inwieweit etwas an den Beschuldigungen dran ist.

Für viele Schweden ist der aktuelle Skandal die Krönung. Denn König Carl Gustaf hat sich schon in der Vergangenheit einige Fehltritte geleistet: Anlässlich eines Staatsbesuchs beim Sultan von Brunei lobte er den Diktator für dessen Bürgernähe und Freiheitsliebe. Später musste er sich für die „unbedarften“ Bemerkungen öffentlich entschuldigen und die schwedische Regierung beschloss, dem formalen Staatsoberhaupt in Zukunft auf Auslandsreisen einen Aufpasser an die Seite zu stellen.

André Anwar[Stockholm]

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