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Ein Mann vor einer Moschee in Paris tritt nach einer Aktivistin, die gegen Frauen-Unterdrückung im Islam protestiert.

© AFP

Femen: Die Amazonen ziehen blank

Ihr nackter Protest ist kühl kalkuliert. Sie wissen genau, wo sich die Kameras der Weltpresse gerade befinden zum Beispiel beim Besuch von Putin bei der Hannovermesse. Was die ukrainischen Femen-Aktivistinnen antreibt.

Sie war ganz nah dran. „Ich konnte ihm ins Gesicht schreien und er konnte auf meinem Körper lesen, was die ganze Welt denkt: Fuck Dictator. Fuck you Putin!“ Am Tag nach der Nackt-Attacke auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin beim Messe-Rundgang in Hannover ist Alexandra Shevchenko eine gefragte Frau. Das Handy der jungen Ukrainerin klingelt pausenlos. Ihr Rücken war auf nahezu allen deutschen Titelblättern, ihre nackte Vorderseite schockierte Angela Merkel, die Putin über die Hannover-Messe begleitete.

Shevchenko ist glücklich, beim Erzählen lacht sie laut. Für ihre Organisation Femen, die barbusig für Frauen- und Menschenrechte kämpft, war die Attacke ein voller Erfolg. „Putin ärgert sich, da bin ich mir sicher. Ich habe sein Gesicht gesehen, er war geschockt und hat das hinter einem dümmlichen Grinsen versteckt.“ Zwar sagte Putin anschließend, die Aktion habe ihm gefallen, dann indes soll seine Entourage strafrechtliche Ermittlungen gegen die Übeltäterinnen in Moskau gefordert haben. Diese, so berichtete Radio Echo Moskwy, hätten bereits begonnen.

Die zwei ukrainischen und die drei deutschen Femen-Aktivistinnen hätten den Präsidenten wohl niedergerissen – wenn sie nicht kurz vorher von Sicherheitskräften gestoppt worden wären. „Er wird ordentlich erschrocken sein über das Loch in seiner Überwachung“, triumphiert sie. „Er kann sich sicher sein: Wir folgen ihm überall hin.“ Sie hätten sich auch deshalb für den Protest bei seinem Auftritt in Deutschland entschieden, weil es in Russland sehr viel schwieriger sei, an den Präsidenten heranzukommen. „Sogar Putins Security hat versucht, sich deutsch zu verhalten“ spottet sie. „Sie waren brutal, doch in Russland und der Ukraine gehen sie sehr viel brutaler mit uns um.“

In Hannover haben die Leibwächter sie mit festem Griff weggeführt, trotzdem haben es die Aktivistinnen geschafft, bei der Aktion triumphierend direkt in die Kameras zu schauen. Sie beherrschen den Umgang mit den Medien perfekt.

Wer sind diese Kriegerinnen? Mit martialischem Geschrei, geballten Fäusten und blanker Brust machen sie von sich reden. Gezielt suchen sie Anlässe, von denen sie wissen, dass die Kameras der Welt anwesend sind. Es ist die derzeit wohl erfolgreichste Propagandaform, die es gibt. Neu ist sie freilich nicht. Schon bei den Studentenprotesten 1968 ließen Studentinnen öffentlich die Hüllen fallen. Die Femen-Aktivistinnen protestierten gegen Sexisten wie Silvio Berlusconi oder Dominique Strauss-Kahn, oder gegen die Unterdrückung der Frau im Islam. Ihre Forderungen sind vage.

Femen in Berlin

Den Aktivistinnen wurde immer wieder vorgehalten, dass sie inhaltlich wenig Neues beizutragen hätten, dass ihre Aktionen in erster Linie medienwirksam seien und dass Struktur und Finanzierung der Organisation nicht transparent seien. Der Vorwurf der Medienwirksamkeit ficht die Frauen nicht an, Aufmerksamkeit für sich und ihre Themen sind schließlich das Ziel. Dafür brauchen sie die Provokation und griffige Parolen, keine inhaltsschweren Papiere. Die Finanzierung erfolgt über Spenden, ihr Online-Shop verkauft Tassen und T-Shirts mit ihrem Logo.

Femen-Protest gegen Putin auf der Hannover-Messe.
Femen-Protest gegen Putin auf der Hannover-Messe.

© dpa

Alexandra Shevchenko ist vor einigen Monaten nach Berlin gezogen, hat hier im Januar Femen Deutschland gegründet. Etwa 30 Frauen zählt die Organisation deutschlandweit. Zwei Tage vor der Putin-Attacke zogen die Aktivistinnen vor der Berliner Ahmadiyya-Moschee blank.

Shevchenko hat keine Angst, dass Leute vor lauter nackten Brüsten die Botschaft nicht mehr verstehen. „Es ist nur ein Mittel, schnell und einfach unsere Botschaft zu vermitteln. Doch jeder Mensch, der sich für die Welt interessiert, fragt sich doch: Warum machen die das? Und hier fängt unsere Arbeit an“, sagt sie.

Die Gründe für die Putin-Attacke? „Er nutzt seine Macht in Russland gnadenlos aus: Er ruiniert sein Land, achtet keine Lesben- und Schwulenrechte, macht politische Gefangene.“ Ob sie und ihre Mitstreiterinnen auch über Konsequenzen nachdenken? „Wir sind weder verrückt noch blöd. Natürlich haben wir auch Angst, wir wollen nicht ins Gefängnis. Aber wenn man uns wegen unserer Einstellung verfolgt, dann ducken wir uns nicht weg.“

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