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Schwarz

© dpa

Feminismus: "Frauenverachtend, bösartig und gemein"

Der langsame Rückzug von Alice Schwarzer ist verschoben. Ihr Verhalten gegenüber ihrer Kurzzeit-Nachfolgerin bei der Emma, Lisa Ortgies, stößt auf heftige Kritik anderer Feministinnen. Die Töne zwischen Alt und Jung werden schärfer.

Fußballer und Feministinnen leiden unter einem ähnlichen Schicksal, und Schuld daran sollen ihre jeweiligen Ikonen sein: Franz Beckenbauer und Alice Schwarzer. So deutete es zumindest Harald Schmidt, als er Anfang Mai bei der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises in der Frankfurter Paulskirche die Laudatio auf Alice Schwarzer hielt. Er verriet der Preisträgerin, was die jungen Feministinnen heute angeblich über sie denken: „Wir werden nie vergessen, dass sie den Feminismus nach Deutschland geholt hat, aber aus dem Tagesgeschäft soll sie sich bitte raushalten.“

Doch so wenig wie sich Kaiser Franz zurückzieht, will auch Schwarzer sich raushalten. Erst vor wenigen Tagen zeigte Schwarzer, wie schwer sie es ihren Nachfolgerinnen macht, dem Feminismus in Deutschland neuen Schwung zu verleihen. Nach nur zwei Monaten warf Lisa Ortgies, die Schwarzer bei Deutschlands feministischer Frauenzeitschrift „Emma“ als Chefredakteurin folgen und in die Zukunft führen sollte, das Handtuch. Sie habe es unter „Emma“-Herausgeberin Schwarzer nicht mehr ausgehalten, heißt es. Immer wieder soll sich Schwarzer eingemischt und Ortgies’ Absprachen mit der Redaktion kurzerhand wieder rückgängig gemacht haben – ohne Ortgies zu informieren. Schwarzer gehörte vor 30 Jahren zu den den Mitgbegründerinnen der „Emma“ und führte das Blatt so lange auch als Chefredakteurin. Nach Ortgies’ Abgang hat die 65-Jährige die Führung wieder übernommen, nicht ohne bei ihrer vorher so hochgelobten Nachfolgerin kräftig nachzutreten. „Kinder in Hamburg“ und „ein kranker Vater“ hätten die Einarbeitungszeit von Ortgies erschwert, sagte Schwarzer dem „Spiegel“ und warf Ortgies mangelnde Führungsqualitäten vor.

Ausgerechnet Schwarzer scheint es offenbar denjenigen Frauen schwer zu machen, die Kinder, Familie und Karriere unter einen Hut bringen wollen. Und nicht nur mit ihren „frauenverachtenden, bösartigen und gemeinen“ Äußerungen, wie „taz-Chefredakteurin und Schwarzer-Biografin Bascha Mika sie jetzt nannte, droht Deutschlands große Frauenkämpferin ihre eigene Glaubwürdigkeit zu zerstören: „Alice nimmt die ,Goldene Feder’ vom Bauer-Verlag entgegen, der viel Geld mit Porno verdient. Sie macht Werbung für ,Bild’, eines der sexistischsten Blätter der Republik. Damit ist die absolut unglaubwürdig“, sagte Journalistin Ingrid Kolb, Feministin aus Schwarzers Generation, dem „Spiegel“.

Doch Alice Schwarzer scheint überzeugt zu sein, dass sie unersetzlich ist. „Ich bin, mit Verlaub, nicht abzulösen“, sagte sie in ihrer Dankesrede beim Börne-Preis. Dabei ist das ja auch gar nicht das Ziel der jungen Feministinnen. Automatisch fühlt sich wohl jede von ihnen mit Schwarzer verbunden. Doch wollen die jungen Frauen einen neuen Weg einschlagen, anstatt ständig alte Geschichten aufzutischen. So wie Ortgies Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen versucht. Das sind die großen Herausforderungen, vor denen die jungen Frauen heute stehen. Keine Generation zuvor war so gut ausgebildet und so selbstbewusst wie sie. „Und dann begegnen sie dem sexistischen Chef, dem überforderten Ehemann, den ehrgeizigen Freundinnen, den traditionsbewussten Bekannten“, sagen Meredith Haaf, Susanne Klinger und Barbara Streidl, die das Buch „Wir Alphamädchen“ verfasst haben. „Es sind subtile Hindernisse, die sich uns in den Weg stellen, kein großes böses Patriarchat an sich.“ Diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen, haben sich die jungen Feministinnen zum Ziel gemacht, zu denen auch Jana Hensel und Elisabeth Raether mit ihrem Buch „Neue deutsche Mädchen“ gehören.

In Schwarzers Augen allerdings betreibt die neue Generation von Frauen nichts als „Wellness-Feminismus“ und trägt sogar zur „Verluderung“ des Feminismus bei – so drückte es Schwarzer in ihrer Börne-Rede aus. Diese „späten Mädchen und Propagandistinnen“ würden sich nur noch „für ihre ganz persönlichen Belange, sprich: für Karriere und Männer“ interessieren, anstatt sich um zwangsverschleierte Musliminnen und aus dem Frauenhandel rekrutierte Prostituierte zu kümmern, schimpfte sie.

Ganz sicher ist auch dieses Elend den „Alphamädchen“ nicht egal. Doch wollen sie den Feminismus aus der lilafarbenen Kampfecke hinein in die Mitte der Gesellschaft holen, in der es auch Spaß geben darf. Auch wenn sie sich verniedlichend als „Mädchen“ bezeichnen, gehören sie zweifelsohne zu den jungen Frauen, die sich zurzeit auf verschiedenen Wegen einen prominenten Platz in der Gesellschaft suchen. So macht Charlotte Roche mit ihren „Feuchtgebieten“ die weibliche Sexualität zum Thema, Rapperin Lady Bitch Ray mischt mit derben Texten die männerdominierte Hip-Hop-Szene auf.

Das mag Schwarzer, die eine Kampagne gegen Pornos initiierte, nicht gefallen. Offenbar kann sie nicht akzeptieren, dass längst eine neue Generation von Feministinnen aktiv geworden ist – die nur erfolgreich für eine soziale, ökonomische und politische Gleichheit der Geschlechter kämpfen kann, wenn sie keine „Ober-Chefin“ im Nacken hat, die frische Ideen als „Girlie“-Getue abkanzelt, anstatt ihre Nachfolgerinnen zu ermuntern.

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