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Gleich kracht's: In der Silvesternacht werden wieder Millionen von Böllern in die Lauft gejagt.

© dpa

Fest des Schreckens: Extreme neue Böller für Silvester

Am Donnerstag beginnt der Verkauf von Silvesterböllern. Dabei gibt es beängstigende Neuheiten – wegen der EU. Schräg gestellte Mörserbatterien können für Häuser gefährlich werden.

Der Schrecken der Silvesternacht hat fast Koffergröße. Fasziniert präsentiert Pyrotechniker Christian Dettmer das neue Produkt. „Das ist die Cake-Box, 30 Millimeter Kaliber, 186 Schuss, bis zu 60 Meter Steighöhe, fast drei Minuten Spektakel.“ Die Feuerwerksbatterie, die der muskulöse Mann vor sich hält, wiegt knapp 17 Kilogramm. „Langsam holen uns die Endverbraucher ein“, sagt Dettmer, der pro Jahr etwa hundert professionelle Feuerwerkshows veranstaltet. Ungläubig schüttelt er den Kopf. An Silvester werde es in diesem Jahr deutlich schlimmere Unfälle mit Feuerwerkskörpern geben als bisher, prophezeit Dettmer. Schuld daran sei eine neue Gesetzeslage, die nun jedem Bürger erlaube, einen solchen explosiven Koffer zu kaufen und an Silvester abzubrennen. „Das hat in den Händen von Otto Normalverbraucher eigentlich nichts zu suchen“, warnt der Experte, „das ist unverantwortlich, aber dahin geht der Trend.“

Am Donnerstag beginnt der Verkauf von Silvesterböllern. Lange galten in Deutschland im Vergleich zum Rest Europas die strengsten Beschränkungen bei Feuerwerksartikeln. Doch wenn am 31. Dezember das Knallen legal beginnt, dann sind die Regeln zum Teil neu. Im Zuge einer europaweiten Gesetzesangleichung ist der Grenzwert für Feuerwerksbatterien im deutschen Sprengstoffgesetz zu Jahresbeginn angehoben worden. Eine Batterie durfte früher maximal 200 Gramm Nettosprengmasse enthalten, also Schwarzpulver und andere chemische Explosionsstoffe. Jetzt sind es dreimal so viel. Aber es wird nicht nur länger knallen und sprühen, auch die einzelnen Schüsse der Batterie werden jetzt stärker sein – 25 statt der früheren 20 Gramm Explosionsmasse dürfen die Feuerwerksfabriken in die einzelnen Mörser der Batterien füllen.

186 Schuss. Christian Dettmer mit einer legalen Mörserbatterie.
186 Schuss. Christian Dettmer mit einer legalen Mörserbatterie.

© Bensiek

Christian Dettmer schiebt seinen Kopf über seine Cake-Box, schaut runter in die Mörserrohre. „Wenn jemand kurz mal nachschauen will, weil das Paket nach dem Anzünden nicht gleich lossprüht, dann ist der Kopf ab“, schildert er mit weit geöffneten Augen. „Ich sehe viel Leid auf die Leute zukommen.“ Und dann fügt er noch hinzu: „Aber aus wirtschaftlichen Gründen bin ich gezwungen, die Cake-Box zu verkaufen.“ Wenn er sie nicht anbiete, dann täten es andere. Dettmer muss es wissen, der 49-Jährige hat im November im alten Flughafen Tempelhof die in Europa einzigartige Feuerwerksmesse PyroWorld veranstaltet. Die neuen Batterien hatten auch seine Konkurrenten an ihren Ständen in der Auslage.

Ein Clou macht die knallenden Schachteln gefährlich

Was die knallende Kuchenschachtel so gefährlich macht, ist aber nicht allein die Änderung im deutschen Sprengstoffgesetz. Eine Batterie darf schließlich maximal 600 Gramm Explosivstoffe enthalten. Die Nettoexplosionsmasse der Cake-Box beträgt allerdings fast zwei Kilogramm. Der Clou: In dem dickwandigen Karton stecken vier einzelne Batterien, die jeweils den erlaubten Grenzwert einhalten – die aber durch Zündschnüre miteinander verbunden sind. Es handle sich dabei um die Profi-Konfiguration. Wenn der Laie den Karton öffne, finde er einen Warnhinweis und die Aufforderung, die Lunten zwischen den einzelnen Batterien zu kappen. Laut Gesetz dürften nur ausgebildete Pyrotechniker die ganzheitliche Box zünden. „Daran wird sich aber mit Sicherheit niemand halten“, ist Dettmer überzeugt. Dank dieses Alibischreibens sei der Karton aber legal für jeden zu kaufen.

Illegale Polenböller.
Illegale Polenböller.

© dpa

„Aus unserer Sicht ist das mehr als bedenklich“, sagt Feuerwehrmann Wolfgang Rowenhagen. Auch die Berliner Feuerwehr hatte einen Stand auf der Berliner Pyrotechnik-Messe, um über die Gefahren der angepriesenen Produkte aufzuklären. „Die Unfälle sind in den vergangenen Jahren weniger geworden“, berichtet Rowenhagen. Verantwortlich dafür sei auch die Aufklärung der Feuerwehr, die dafür zum Beispiel kleine Flyer verteilt mit dem Foto einer zerrissenen Hand. Das wirkt. Doch jetzt könnte sich das Blatt wenden, sagt Rowenhagen. Er und seine Kollegen haben die neuen Cake-Boxen genau inspiziert. Rowenhagens Fazit: „Das gehört nicht in die Hand von jedermann.“

In den engen Straßenzügen in Prenzlauer Berg oder Kreuzberg würden die schräg ausgerichteten Mörser der Cake-Boxen geradewegs auf die oberen Stockwerke zielen. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, die für die Zulassung aller Feuerwerksartikel zuständig ist, beruhigt dagegen: „Wir gehen davon aus, dass es trotz der größeren Batterien weniger Verletzte geben wird, weil die Leute nur einmal statt fünf oder sechs Mal anzünden müssen und sich dadurch seltener in Gefahr begeben“, erklärt Sprecherin Ulrike Rockland.

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