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Festival: Melt!: Stahl im Gewitter

Elektropop-Fans aus ganz Europa feiern beim Melt!-Festival in der Baggerstadt Ferropolis den geplanten Ausnahmezustand.

Die Katastrophe blieb aus. Am Sonntag ging mit dem Konzert der Britpop-Königsbrüder Oasis das Melt!-Festival in der Baggerstadt Ferropolis bei Dessau zu Ende, das europaweit von Fans elektronischer Musik geschätzt wird. Über dem Wochenende schwebten Unwetterwarnungen. Gleich in der ersten Nacht brachen die Wolken. Das Gelände wurde geräumt, der Auftritt des Berliner DJ-Teams Moderat fiel aus. Doch anders als beim slowakischen Festival „Pohoda“, bei dem ein Zelt einstürzte, traten hier 20 000 Besucher ohne Zwischenfälle den Rückzug auf die Zeltplätze an.

Dort verbrachte allerdings mancher die Nacht gegen die Zeltwand gestemmt, die Hände in die Plane gekrallt, damit der Sturm sie nicht mitreißt. Zelte waren in den Gremminer See gekippt, der den Industriepark Ferropolis einrahmt. Doch wer ein Festival besucht, bei dem das Bühnenprogramm erst um sieben Uhr morgens endet, hat den Ausnahmezustand eingeplant. Respekt gebührt der Ruhe des Mannes, der ohne Zelt unter den peitschenden Regenmassen schlief.

„Wir wurden gewarnt, dass wir nur mit guten Freunden herkommen sollen“, erzählten zwei Mädchen, die aus Schottland angereist waren. Wegen der Drogen? Sie nicken. Das Melt!-Festival mit seiner ausgezeichneten Mischung aus bekannten Gitarrenbands wie Phoenix und Bloc Party und angesagten DJ-Künstlern entspricht einem dreitägigen Club-Trip unter freiem Himmel, mit allem, was in der Szene dazugehört. Dabei war die Stimmung bemerkenswert friedlich und von gemeinschaftlicher Euphorie geprägt. Als im letzten Jahr erstmals 20 000 Besucher das Gelände stürmten, sahen manche schon den Ballermann auf dem Festival einbrechen, das vor zwölf Jahren als kleines Szenefest begann. Dieses Jahr war das Melt! eine Woche vorher ausverkauft. Die Veranstalter hatten klug gehandelt, die Tickets zu beschränken und Fans ohne Karte vor der Anreise zu warnen. Der Einlass verlief reibungslos, die Sicherheitsmitarbeiter waren geradezu freundschaftlich. Ohne große Wartezeit konnte man zwischen den Bühnen hin- und herwechseln.

Die Kulisse macht ohnehin alle Halluzinogene überflüssig: Lasershows erweckten die gewaltigen alten Förderbagger, die über dem ehemaligen Braunkohletagebau Golpa Nord in die Nacht ragen, zum Leben. Das Melt! ist als Ausnahmefestival gerade unter Künstlern beliebt. „Ich weiß, es hat die ganze Nacht geregnet“, erklärte Erlend Oye beim Auftritt seiner Band The Whitest Boy Alive Samstagabend. „Aber wir haben auch hier getanzt. Lasst euch nicht unterkriegen!“ Die Beschwörung wirkte, der Himmel klarte auf und so tanzte man später im Sonnenaufgang am Strand. Oben auf dem Bagger, wo die Berliner Technogröße Ellen Alien auflegte, stand Conny Opper und blickte durch über die wogende Menge. „Inspirierend“, sagte er. Hoffentlich: Der Clubbetreiber und Freund von Peaches veranstaltet zusammen mit dem Melt!-Team im August das Berlin Festival auf dem Flughafen Tempelhof.

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