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Panorama: Filmmusik: Das Ende der Romantik

"Wir weinen, stellen unsere Tränen in den Eisschrank, bis sie zu Eis gefroren sind, und dann tun wir sie in unseren Whisky", bricht es aus Martha hervor, in einer Verschnaufpause von Edward Albees Eheduell "Wer hat Angst vor Virginia Woolf". Und in bernsteinfarbenen Klängen bilden sich Schlieren, die sich wie Nebel um Elizabeth Taylor und Richard Burton legen.

"Wir weinen, stellen unsere Tränen in den Eisschrank, bis sie zu Eis gefroren sind, und dann tun wir sie in unseren Whisky", bricht es aus Martha hervor, in einer Verschnaufpause von Edward Albees Eheduell "Wer hat Angst vor Virginia Woolf". Und in bernsteinfarbenen Klängen bilden sich Schlieren, die sich wie Nebel um Elizabeth Taylor und Richard Burton legen. Lange hatte Alex North darüber nachgedacht, welche Musik er für Mike Nichols Verfilmung schreiben sollte. Neben einem Jazz-Soundtrack spielte er auch die Varianten Horror-Tonspur und Zwölfton-Partitur für den Schlagabtausch durch. Doch anstelle die Dramatik musikalisch zu steigern, komponierte North eine Musik, die zeigt, was die Akteure zu verbergen suchen - ihre durch Lebenslügen verletzte Seele. Zart deutet er die Realität des Alkoholismus an, kleidet die Sehnsucht nach Wahrheit in ein Thema von Bachscher Klarheit und verleiht dem Klang, wozu sich Taylor und Burton erst noch durchringen müssen: dem Gefühl des Bedauerns. Wie wirkungsvoll diese Dramaturgie ist, zeigt eine Serie von 13 Soundtracks, die Warner jetzt zum Teil erstmals veröffentlicht hat. Sie präsentiert Norths Musik mit Ausschnitten aus den Originaldialogen: So blitzt zwischen Burtons Trunk- und Taylors Herrschsucht das Genie des Filmkomponisten auf.

Alex North war es auch, der mit seinen jazzinspirierten Kompositionen für Elia Kazans Verfilmung von "Endstation Sehnsucht" 1951 eine neue Ära der Filmmusik einleitete. Der sinfonische Score mit seinen spätromantischen Wurzeln verlor seine dominierende Stellung. Und so gelangten erstklassige Jazz-Musiker in die Traumfabrik. Ihre Werke aus den 60er und 70er Jahren bilden einen Schwerpunkt der Warner-Reihe. Allein drei CDs sind dem Schaffen des Argentiniers Lalo Schifrin gewidmet. Seine Musik zu "Bullitt" (mit Steve McQueen) oder "Enter the Dragon" (mit Bruce Lee) mixt mit einer solchen Leichtigkeit die Zutaten internationaler Unterhaltungsstile zusammen, das auch der anspruchsvolle Easy-Listening-Fan auf seine Kosten kommt. Cool bis zum ironischen Umfallen ist J.J. Johnsons Blaxploitation-Soundtrack für "Cleopatra Jones", 1973 die einzige Frau in einer farbigen Anti-Drogeneinheit. Doch keiner beherrscht die Sprünge zwischen Parodie und Thriller, Funk und serieller Musik so souverän wie Quincy Jones in "Dollars" (Der Millionenraub). Ein Meisterwerk, satirisch und elektrisierend. Wie experimentell Musikmusik vor "Titanic" sein durfte, lässt sich auch aus Ennio Morricones Score für "Exorcist II" (1977) heraushören: Anklänge an Flokati-Sex-Produktionen stoßen auf afrikanische Folklore und schrille Elektronik. Ein wüstes Vergnügen und für Fans ein Sammlerstück - gerade weil der Film gnadenlos durchfiel.

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