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Florida: Tod im Walbecken

Das Unglück ereignete sich am Mittwoch kurz nach der Mittagsshow im Meerestierpark Seaworld in Orlando, Florida. Die Trainerin Dawn Brancheau wollte den Zuschauern noch einmal „Tilikum“, einen mehr als fünf Tonnen schweren Orca, vorführen, als dieser plötzlich angriff.

Das Unglück ereignete sich am Mittwoch kurz nach der Mittagsshow im Meerestierpark Seaworld in Orlando, Florida. Die Trainerin Dawn Brancheau wollte den Zuschauern noch einmal „Tilikum“, einen mehr als fünf Tonnen schweren Orca, vorführen, als dieser plötzlich angriff. Vor den Augen der entsetzten Zuschauer schoss der Orca plötzlich aus dem Wasser. „Er schnappte die Trainerin an der Hüfte, schüttelte sie heftig und zog sie in die Tiefe“, erzählte eine Augenzeugin dem US-Sender CNN. „Er war richtig wild.“ Ein anderer Zeuge berichtete, dass das Tier schon während der Show begonnen hatte, die Anweisungen der Dompteure zu ignorieren: „Du konntest deutlich sehen, dass dieser Wal absolut nicht in Stimmung war, dass er einfach nicht mitmachte.“ SeaworldVizechef Chuck Tompkins bestätigte der Lokalzeitung „Orlando Sentinel“, dass der Orca die 40-Jährige ins Wasser zog, wo sie ertrank. Seaworld sagte alle Shows mit den schwarz- weißen Meeressäugern ab – auch in San Diego, Kalifornien.

Wenn es sich auch um eine erfahrene Dompteuse handelte – Brancheau arbeitete seit 1994 für den Park –, macht Naomi Rose von der Humane Society of the United States dennoch den Park für das Unglück verantwortlich.

„Seaworld hätte schon vor Jahren Tilikum nicht mehr einsetzen sollen. Dies war ein vorhersehbares Unglück“, erklärte die auf Orcas spezialisierte Biologin und Wissenschaftlerin im Dienst des amerikanischen Tierschutzbundes.

Tilikum – das bedeutet „Freund“ in der indigenen Sprache Chinook – ist bereits für zwei andere Unfälle mit Todesfolge verantwortlich. 1991 starb in Kanada in seinem Becken eine Trainerin. 1999 kam unter mysteriösen Umständen im gleichen Orca-Becken von Seaworld ein Obdachloser zu Tode. Der Mann hatte sich nach dem Schließen des Parks dort eingeschlichen und wurde am nächsten Tag nackt auf dem Rücken von Tilikum liegend aufgefunden.

„Eines der größten Probleme von Seaworld ist, dass es sein Publikum hinters Licht führt“, kritisiert Rose. „Es glaubt ein zufriedenes Tier zu sehen, das sich normal verhält. In Wirklichkeit handelt es sich um ein entfremdetes Tier, das keine Wahl hat.“ Tilikum wurde im November 1983 vor der Küste Islands gefangen. Wie die Humane Society fordert auch der Animal Legal Defense Fund schon seit längerem, Vorführungen mit Meeressäugern generell einzustellen. „Es ist, wie wenn man einen Menschen sein ganzes Leben lang in eine Badewanne sperrt“, meint die Gründerin der Tierschutzorganisation Joyce Tischler.

Orcas sind bekannt für ihre Neugier, aber auch für ihre manchmal aggressiven „Spiele“. Grund ist häufig Langeweile. In Gefangenschaft mit anderen Orcas aus verschiedenen Weltregionen kommt es auch deshalb zu Aggressionen, weil die Tiere verschiedene Lebens- und Essgewohnheiten und verschiedene „Dialekte“ haben. Erst Ende Dezember war auf Teneriffa in einem Orca-Becken ein 29-jähriger Trainer ums Leben gekommen.

Der Kritik an Seaworld widerspricht die Journalistin und Schriftstellerin Amy Sutherland, die ein Jahr lang die Trainingstechniken für in Gefangenschaft gehaltene Tiere studierte, darunter auch die Domptur von Orcas. „Seaworld wird bewundert in der Welt der Tiertrainer“, erklärte sie. „Der Park hat eine der fortgeschrittensten Trainingstechniken entwickelt und ist bekannt dafür, dass es sich wirklich um seine Tiere und deren Bedürfnisse kümmert.“

Der berühmteste Orca war Keiko. Das Schwertwalmännchen spielte von 1993 bis 1997 die Hauptrolle in den drei „Free Willy“-Filmen. Für die Auswilderung des seit 1979 in Gefangenschaft lebenden Wals wurden mehr als 20 Millionen Dollar ausgegeben. Im Dezember 2003 starb der 27 Jahre alte Orca nach nur einem Jahr in Freiheit an der norwegischen Westküste.

In freier Wildbahn sind die Meeressäuger, die bis zu 50 Jahre alt werden können, geschickte Raubtiere. Neben Fischen und Tintenfischen jagen Orcas auch Seekühe, Robben, Meeresvögel und sogar andere Wale. Wenn sie der Hunger treibt, können sie mit einem Flossenschlag sogar Haie betäuben und in riesigen Sätzen über Eisschollen hechten, um ihre Beute anzugreifen. Das brachte ihnen früher einmal den Beinamen Killerwal ein, ein Begriff, der nach heftigen Protesten von Tierschützern schon lange nicht mehr als korrekt gilt.

Trotz der 40 bis 56 scharfen Zähne und ihres Jagdverhaltens seien Orcas im Grunde friedliche und soziale Tiere, meint David Phillips, Direktor des International Marine Mammal Project des Earth Island Institute, das die Rehabilitierung von Keiko anführte. „Orcas verdienen ein besseres Schicksal, als in engen Pools zu leben.”

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