zum Hauptinhalt

Flugzeugabsturz: War ein Blitz die Unfallursache?

Die abgestürzte Air-France-Maschine könnte von einem Blitz getroffen worden sein. War das die Unfallursache?

Blitze sind für Flugzeuge eigentlich kein Problem. Wie das Auto ist auch der Flieger ein „Faraday’scher Käfig“, der den elektrischen Strom in seiner Hülle entlangleitet und die Passagiere vor den hohen Spannungen schützt. Schätzungen zufolge wird jede Verkehrsmaschine im Schnitt einmal pro Jahr von einem Blitz getroffen. „Der schlägt beispielsweise im Bug ein, geht entlang der Außenhaut und verlässt die Maschine am Heck wieder“, sagt Stefan Levedag vom Braunschweiger Institut für Flugsystemtechnik im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Er selbst hat das schon als Passagier erlebt: „Draußen war es etwas lauter und die Maschine hat ziemlich gewackelt, aber mehr war da nicht.“ Dennoch versuchen Piloten, Gewitterzellen zu meiden.

Wie ist die Bordelektronik geschützt?

Blitze können eine Spannung von mehreren Hunderttausend Volt haben. Doch in der Regel fließt der Strom nur durch die äußere Aluminiumhaut des Fliegers. Die Bordelektronik ist zudem mit einem Schutz vor Überspannung ausgestattet. „Die Kabel zum Beispiel sind mehrfach mit einer Abschirmung aus Metall versehen“, sagt Levedag. „Wie bei einem Fernsehkabel, aber viel besser.“ So können hohe Spannungen rasch abgeleitet werden. Außerdem sind wichtige Geräte und Systeme mindestens doppelt vorhanden, um Ausfälle zu kompensieren. „Die elektronische Flugsteuerung zum Beispiel ist vierfach redundant ausgelegt“, sagt der DLR-Experte. „Es ist praktisch ausgeschlossen, dass alle Sicherungen zugleich kaputtgehen.“ Völlig gefahrlos sind Blitze dennoch nicht. Schlagen sie in eine Antenne ein, kann diese regelrecht abschmelzen, berichtet das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig. Trotz aller technischen Vorkehrungen und umfangreichen Tests der Bauteile vor der Zulassung für den Luftverkehr können Blitzschläge dazu führen, dass Geräte ausfallen – vor allem, wenn gleich mehrere Blitze einschlagen.

Wie gefährlich sind Gewitter noch?

In einer Gewitterwolke werden die Luftmassen rasend schnell nach oben oder unten bewegt. Einzelne Böen können weit mehr als 100 Kilometer pro Stunde schnell sein und ein Flugzeug entsprechend heftig durchschütteln. „Bei der Konstruktion von Flugzeugen werden solche starken Winde berücksichtigt und noch ein vier- bis fünffacher Sicherheitszuschlag draufgelegt“, sagt Levedag. Damit sei es im Prinzip ausgeschlossen, dass etwa Tragflächen oder Triebwerke abbrechen. Doch in den Wolken können sich auch Hagelkörner befinden. Zwar drosseln die Piloten beim Durchfliegen eines Gewitters ihr Tempo. Die Kollisionsgeschwindigkeit ist trotzdem so hoch, dass die Eisbatzen wie Geschosse wirken. Die Frontscheiben sind stark genug, um dem standzuhalten – sie müssen auch Zusammenstöße mit großen Vögeln aushalten. Aber die Turbinenschaufeln könnten von Hagel beschädigt werden, sagt Levedag.

Was können Piloten tun, um Gewitter zu erkennen und ihnen zu entgehen?

Jede Passagiermaschine hat ein Wolkenradar, das unterschiedliche Wassergehalte in der Atmosphäre vor dem Flugzeug anzeigt. So kann der Pilot erkennen, wo sich Gewitterwolken befinden. Während Wassertröpfchen vom Wetterradar zuverlässig erfasst werden, kann dieses Eiskristalle weniger gut erkennen und somit „übersehen“. Damit steigt die Gefahr eines Hagelschlags – ein weiterer Grund, nicht in die Gewitterzone zu fliegen.

Neben den Daten des Wetterradars liegt möglicherweise auch eine Warnung anderer Piloten vor, die in der Gegend unterwegs sind. „Oftmals sind die Gewitterzellen nur einige Kilometer groß und der Pilot fliegt einfach drumherum“, sagt Levedag. In höheren Breitengraden, wo Gewitter nur in Höhen bis zu acht Kilometern vorkommen, kann der Kapitän die Maschine auch darüberlenken. In den Tropen, wo die Unwetter deutlich weiter in die Atmosphäre ragen, ist das allerdings nicht möglich. Zum Zeitpunkt des Absturzes der Air-France-Maschine lag die Wolkenobergrenze in der Region nach Angaben des Wetterdienstes Meteomedia bei 16 bis 17 Kilometer Höhe. Der Airbus soll elf Kilometer hoch geflogen sein. Welchen Kurs der Pilot einschlägt, um der Gefahr zu entgehen, entscheidet er in Absprache mit der Bodenkontrolle. „Er hat die letzte Verantwortung für die Passagiere“, sagt Levedag. Ballen sich Gewitterwolken zu einer breiten Front und reicht der Treibstoff für eine Umfliegung nicht aus, muss der Kapitän sogar umkehren.

Sind neue Flugzeugtypen anfälliger für Blitzeinschläge als ältere?

Um Gewicht zu sparen, ersetzen Flugzeugbauer immer mehr Aluminiumbauteile durch solche aus Kohlefaser. Diese leiten den elektrischen Strom allerdings viel schlechter. „Die Flugzeuge müssen aber eine bestimmte Leitfähigkeit haben, um eine Zulassung zu erhalten“, sagt Levedag. Dafür gebe es verschiedene Ansätze. So werden etwa zwischen die Kohlefasermatten Kupferfolien oder Drahtgeflechte aus dem Metall gebracht. Dieses Verfahren ist vor allem für die neue Boeing 787, den Dreamliner, wichtig, bei dem Rumpf und Flügel aus Kohlefaser bestehen werden. Eine Betriebszulassung hat die 787 noch nicht. Der verunglückte Airbus ist ein herkömmliches Aluminiumflugzeug.

Warum ist es so schwierig, die abgestürzte Maschine zu finden?

Flugzeuge über dem Atlantik werden meist nicht mehr vom Radar erfasst. Das macht die Ortung von Wrackteilen so schwierig. „In der Regel gibt es nur in Küstennähe, also in 300 bis 400 Kilometern Entfernung, eine Radarabdeckung durch die Bodenstationen“, sagt Axel Raab von der Deutschen Flugsicherung. Verunglückte der Jet also mitten über dem Atlantik, was wahrscheinlich ist, befand er sich auf keinem Radarschirm mehr. Die Flugzeuge melden zwar alle 20 Minuten ihre Position. Erfolgt der Absturz aber dazwischen, kann das Suchgebiet riesig sein.

Trümmerteile sowie ein Ölfilm auf dem Wasser, die offenbar von der abgestürzten Maschine stammen, wurden am Dienstag mehrere hundert Kilometer nordöstlich der Inselgruppe Fernando de Noronha gesichtet. „Ist das tatsächlich die Air-France-Maschine, sind die Chancen groß, dass auch die Black Box lokalisiert wird“, sagt Karsten Severin von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, „vorausgesetzt, die Peilsender sind nicht ausgefallen“. In der Black Box befinden sich zwei Flugschreiber, mit denen Daten wie Flughöhe, Kurs oder Geschwindigkeit sowie Stimmen aus dem Cockpit aufgezeichnet werden. Fraglich ist aber, ob der Kasten geborgen werden kann und noch funktioniert. „Eine Black Box muss so gebaut sein, dass sie einen Wasserdruck von 6000 Metern für mindestens 30 Tage aushält“, sagt Severin. Der Atlantik ist in dieser Region 3000 bis 4000 Meter tief.

Wie gefährlich ist die Region für Flugzeuge?

Die Route von Rio de Janeiro nach Paris führt durch die Innertropische Konvergenzzone, ein Tiefdruckgebiet, in dem häufig schwere Gewitter und starke Turbulenzen auftreten. Aber auch in anderen Regionen gibt es regelmäßig heftige Gewitter. „Solche Wetterextreme sind überall in den Tropen häufig anzutreffen“, sagt Ulrich Cubasch, Atmosphärenforscher an der Freien Universität Berlin. In Äquatornähe gibt es intensive Sonneneinstrahlung – und viel feuchte Luft. Sobald Wasserdampf zu feinen Tröpfchen kondensiert, wird nochmals Wärme frei. Daher ist in der tropischen Atmosphäre viel mehr Energie enthalten als in unseren Breiten. Dementsprechend heftiger sind dort die Wetterphänomene.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false