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Ein thailändischer Offizier prüft ein Flugzeug vor der Suche nach der verschwundenen Boeing.

© dpa

Update

Flugzeugunglück über Golf von Thailand: Wie konnte die Boeing so spurlos verschwinden?

Radar, Satelliten, Kameras - die ganze Welt ist engmaschig überwacht. Wie konnte die Maschine der Air Malaysia also spurlos verschwinden? Zudem wurde bekannt: Ein Iraner erwarb die Tickets für die Passagiere mit gestohlenen Pässen. Und eine Spur führt nach Deutschland.

Flug MH370 aus Malaysia ist ein großes Rätsel: So wird eigentlich der gesamte Planet überwacht. Der Luftraum wird engmaschig von Flugsicherungen per Radar kontrolliert. Satelliten können alle Bewegungen auf der Erde aufnehmen. Aller Funk- und Telefonverkehr unterliegt Kontrollen. Wie kann eine Maschine verschwinden, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen? Alle vermeintlichen Spuren, denen bisher nachgegangen wurde, führten ins Leere.

Das Schicksal des Malaysia Airlines Fluges MH370 könnte als großes Mysterium in die Geschichte eingehen. Die Boeing 777-200, die sich mit 227 Passagieren und zwölf Besatzungsmitgliedern auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking befand, war am Samstagmorgen über dem Golf von Thailand von den Radarschirmen der Flugkontrollzentrale im malaysischen Subang verschwunden.

Iraner kaufte Tickets für zwei Passagiere mit gestohlenen Pässe

Ein Iraner hat die Tickets der beiden Passagiere, die mit gestohlenen Pässen an Bord der verschwundenen Malaysia Airlines-Maschine gelangten, gekauft. Das berichtete die Polizei im thailändischen Badeort Pattaya am Dienstag. Ob die Männer selbst iranischer Herkunft waren, wusste die Polizei zunächst nicht. „Die Flugtickets wurden von einem Mann namens Ali gebucht, der aus dem Iran anrief“, sagte Pattayas Polizeichef Supachai Phuikaewkhum. „Es ist uns bislang nicht gelungen, die Nummer herauszufinden.“ Eine nicht registrierte Agentur namens „Grand Horizon“ habe den Auftrag entgegengenommen, eine zweite Agentur, „Six Stars Travel“, habe die Buchung dann durchgeführt. Die Tickets seien von einem weiteren Iraner, der in Pattaya ansässig ist, bar bezahlt worden. „Wir haben diesen Mann befragt, aber wir haben nichts Verdächtiges herausgefunden“, sagte Supachai.

Zahlreiche Flugzeuge suchen das Gebiet weiträumig ab.
Zahlreiche Flugzeuge suchen das Gebiet weiträumig ab.

© The Straits Times /Desmond Lim/AFP

Thailändische Medien berichteten unter Berufung auf „Grand Horizon“, „Ali“ sei ein Stammkunde. Er habe zunächst Plätze auf Etihad oder Qatar Airlines buchen wollen. Er habe dann China Southern gebucht, weil die Tickets billiger waren. China Southern bot den Unglücksflug im Codesharing mit Malaysia Airlines an. Möglicherweise wollte er also nur die billigsten Tickets erwerben.

Einer der Verdächtigen ist identifiziert. Beide sehen nicht asiatisch aus

Nach Angaben des malaysischen Polizeichefs Tan Sri Khalid Abu Bakar ist es gelungen, anhand der Auswertung der Videoüberwachung auf dem Kuala Lumpur International Airport einen der beiden Männer, die mit gestohlenen Pässen an Bord der Maschine gelangt waren, zu identifizieren. Es handelt sich nach Angaben der Behörden um einen 19-jährigen Iraner. „Wir glauben nicht, dass er zu irgendeiner Terrorgruppe gehörte“, sagte Polizeichef Khalid Abu Bakar. „Wir glauben, dass er nach Deutschland auswandern wollte.“ Der Mann hatte einen Flug von Kuala Lumpur über Peking und Amsterdam nach Frankfurt gebucht. Er reiste mit einem gestohlenen europäischen Pass.

Die malaysische Polizei stehe in Kontakt mit der Mutter des 19-Jährigen in Frankfurt. „Sie erwartete ihn dort“, sagte der Polizeichef. Unklar ist bisher noch, ob es sich dabei um denselben Mann handelt, der auch die Tickets gebucht hat.

Der Chef der malaysischen Flugsicherung, Azharuddin Abdul Rahman (links), erklärt, in welchem Gebiet die Maschine abgestürzt sein könnte.
Der Chef der malaysischen Flugsicherung, Azharuddin Abdul Rahman (links), erklärt, in welchem Gebiet die Maschine abgestürzt sein könnte.

© dpa

Einer der Pässe war auf den Italiener Luigi Maraldi ausgestellt, der aber zur Zeit Badeurlaub in Thailand macht. Er hatte das Personalpapier im vergangenen Jahr ebenfalls in Thailand bei einer Autovermietung in Patong hinterlegt, wo es bei der Rückgabe des Fahrzeugs verschwunden war. Der zweite Pass gehörte dem Österreicher Christian Kozel, der sich in seiner Heimat befindet. Er war bereits 2012 ebenfalls in Thailand entwendet worden.

Interpol kritisiert Staaten, die Pässe nicht abgleichen

Dass die beiden Männer mit den gestohlenen Pässen durch die Kontrollen in Kuala Lumpur an Bord gelangen konnten, hat zu heftiger Kritik geführt. Offensichtlich hatten die malaysischen Behörden die Personalien nicht mit der Fahndungsliste von Interpol abgeglichen, in der beide Pässe registriert waren. Das macht bisher nur eine geringe Zahl von Ländern, kritisierte Interpol-Generalsekretär Ronald K. Noble. Dazu gehören Deutschland, die USA, Großbritannien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Auf 800 Millionen jährliche Abfragen kommen rund 60 000 Treffer.

Interpol hatte wiederholt davor gewarnt, dass Terroristen gestohlene Personalpapiere benutzen könnten. „Jetzt haben wir einen tatsächlichen Fall in dem die Welt darüber spekuliert, ob die Besitzer der Pässe Terroristen gewesen sein könnten.“ US-Behörden hatten erst vor wenigen Wochen davor gewarnt, dass Terroristen versuchen könnten, Flugzeuge mit neuartigen Schuhbomben zu sprengen. Premierminister Najib Razak kündigte eine umfassende Überprüfung der Sicherheitsprozesse an den malaysischen Flughäfen an.

Einer der Verdächtigen hatte einen Anschlussflug nach Frankfurt am Main gebucht

Wie bekannt wurde, sollen die beiden verdächtigen Männer ihre Tickets in Thailand bei China Southern Airlines gebucht haben, mit denen Malaysia Airlines den Flug nach Peking unter gemeinsamen Flugnummern betreiben. Sie sollen auch einen Anschlussflug von der chinesischen Metropole nach Frankfurt am Main und Kopenhagen gebucht haben, obwohl es auch Nonstopverbindungen ab Kuala Lumpur gibt.

Fünf Passagiere hatten nach Angaben der Fluggesellschaft in Kuala Lumpur für MH 370 eingecheckt, waren jedoch nicht an Bord der Maschine gegangen. Ihr Gepäck sei daraufhin wieder ausgeladen worden, versicherten Malaysia Airlines. Normalerweise führt das zu erheblicher Verspätung. Die Boeing war aber bereits um 16.41 Uhr gestartet, nur sechs Minuten nach der planmäßigen Abflugzeit. Gepäck nicht geboardeter Fluggäste darf nach internationalen Bestimmungen nicht transportiert werden, seit 1988 ein Jumbo-Jet der PanAm über Schottland durch eine Kofferbombe zum Absturz gebracht wurde.

Die Boeing war bei der Allianz versichert

Vermutungen, dass auch MH 370 einem Terroranschlag zum Opfer gefallen sein könnte, sind bisher reine Spekulation. Fest steht nur, dass die Boeing, die bei der Allianz versichert war, 41 Minuten nach dem Start von den Radarschirmen verschwand. Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer Flughöhe von 35 000 Fuß (10 668 Meter) über dem Golf von Thailand. Das weit entfernt am Land stehende Radar kann die Flugzeuge hier nur in größerer Höhe, nicht aber in Bodennähe erfassen. Meldungen, wonach Suchflugzeuge eine auf dem Wasser treibende Flugzeugtür oder ein gekentertes Rettungsfloß entdeckt hätten, erwiesen sich als Irrtümer. Auch eine entdeckte Ölspur hat nichts mit der Maschine zu tun. Mysteriös ist, dass bei Anrufen auf den Mobiltelefonen von Passagieren und Besatzungsmitgliedern nach wie vor Klingeltöne zu hören sind.

Die Maschine könnte in der Höhe explodiert sein. Aber warum gibt es keine Spuren?

Das Verschwinden der Boeing erinnert an den Air France Flug 447, der am 1. Juni 2009 mit 228 Insassen auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Paris in den Südatlantik stürzte. Der Airbus A330 war ebenfalls in 35 000 Fuß Flughöhe in ein Unwetter geraten. Nach dem Ausfall der automatischen Flugsteuerung war es den beiden unerfahrenen Co-Piloten, die sich zu diesem Zeitpunkt allein im Cockpit aufhielten, nicht gelungen, die Maschine zu stabilisieren. Erste Trümmer der Maschine waren erst nach fünf Tagen gefunden wurden.

Eine Angehörige bricht zusammen, als sie von Betreuern empfangen wird.
Eine Angehörige bricht zusammen, als sie von Betreuern empfangen wird.

© dpa

Auf der Flugstrecke von MH 370 herrschte dagegen gutes Wetter und im Cockpit saß einer der erfahrensten Flugkapitäne von Malaysia Airlines. Auch hatte die Boeing nicht, wie damals der Airbus, zahlreiche automatisch generierte Fehlermeldungen an die Bodenstation übermittelt. Bei einem Triebwerksausfall, einem Brand oder einem technischen Defekt hätten die Boeing-Piloten ausreichend Zeit gehabt, einen Notruf zu funken. Selbst ohne Triebwerke ist ein Verkehrsjet in der Lage, aus größerer Höhe noch eine längere Strecke im Segelflug zu Boden zu gleiten. Das Ausbleiben einer Alarmmeldung könnte ein Indiz dafür sein, dass der Großraumjet – möglicherweise durch eine Explosion – in der Luft auseinanderbrach. Aber warum ist dann bisher kein einziges Teil in dem Gebiet gesichtet worden?

Eine Entführung ist unwahrscheinlich

Bleibt die Möglichkeit, dass Entführer die Besatzung am Funkverkehr gehindert hat. Aber kann eine entführte Maschine irgendwohin fliegen, ohne dass sie auf einem Radar einer Flugsicherung auftaucht? Sie könnte, wenn sie in 100 Metern Höhe das Radar unterfliegt. Das ist auch mit einer Boeing 777 möglich. Aber diese Maschine könnte wahrscheinlich nirgends landen, ohne dass dies bemerkt würde.

Alle Fragen bleiben offen, solange nicht ein Teil gefunden wird, das das Spektrum der Möglichkeiten eingrenzt.

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