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Flut in Thailand: Wie geht das Land mit der Katastrophe um?

Auch Sandsäcke können die Flutwelle nicht aufhalten: Das Wasser überrollt Bangkok. Der Schaden ist schon jetzt verheerend. Und es soll weiter regnen.

Autos, Lkw und Motorräder schieben sich durch das knietiefe, schmutzige Wasser der Straßen im Norden Bangkoks, das braun ist und Blasen schlägt. Ein beißender Geruch nach Öl und Fäkalien durchzieht die schwül-heiße Luft. Freiwillige und Polizisten leiten den Verkehr durch die Wassermassen, die die Stadt in den vergangenen Tagen geflutet haben.

Wie dramatisch ist die Lage?

Nicht nur die Anwohner im Norden Bangkoks sind von den Wassermassen überrascht worden. Auch der nahe gelegene Don-Muang-Regionalflughafen musste am Dienstag seinen Betrieb einstellen, nachdem eine Flutbarriere geborsten war und das Wasser die Landebahnen überschwemmt hat. Der Vorfall zeugt in drastischer Weise davon, wie sehr die Behörden den Kampf gegen die Fluten aus dem Norden des Landes derzeit verlieren. Denn die Flut-Koordinierungszentrale der Regierung befindet sich in einem der Flughafengebäude.

Im Juli haben ungewöhnlich starke Regenfälle große Gebiete im Norden und Nordosten des Landes unter Wasser gesetzt. In den vergangenen zwei Wochen hat das Wasser auf dem Weg in Richtung Süden mindestens fünf große Industriegebiete überschwemmt. Tausende von Fabriken, unter ihnen Produktionsanlagen von Konzernen wie Honda, Toyota und Canon, wurden überflutet.

Doch Bangkok steht das Schlimmste erst noch bevor. Auf Satellitenaufnahmen ist zu sehen, dass Thailands Hauptstadt – die im Süden an das Meer grenzt – von allen Seiten von den Wassermassen eingeschlossen ist. Am Wochenende soll es im Meer vor Bangkok ein ungewöhnlich starkes Tidehochwasser geben, der Meeresspiegel wird dadurch höher ansteigen als gewohnt. Der Chao-Phraya-Fluss, der sich durch die gesamte Hauptstadt schlängelt, wird dann Berechnungen zufolge auf 2,60 Meter Höhe ansteigen, zehn Zentimeter höher als die bereits mehrfach erhöhten Flussdeiche. Dann drohen auch Bangkoks Innenstadt schwere Überschwemmungen.

Die Behörden hatten zwar versucht, die Stadt – die für rund 40 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes aufkommt – vor den Wassermassen abzuschirmen. Riesige Deichanlagen sollten das Wasser aufhalten. Das Hochwasser sollte über fünf neu gegrabene Kanäle und durch unterirdische Tunnel östlich und westlich an der Hauptstadt vorbei ins Meer abgeleitet werden. Doch der Plan scheint nicht aufzugehen. Daher hat Premierministerin Yingluck Shinawatra vor wenigen Tagen in einem dramatischen Appell die Bewohner Bangkoks dazu aufgerufen, die Hauptstadt über das Wochenende zu verlassen. Hierfür hat die Regierung Donnerstag bis Montag zu Feiertagen erklärt. Zigtausende Menschen sind dem Aufruf gefolgt und haben sich vor allem in den Strandorten Hua Hin und Pattaya einquartiert, die beide nur wenige Stunden von Bangkok entfernt liegen.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, was die Ursachen und die Folgen der Katastrophe sind.

Was bedeutet das für die Region?

Der wirtschaftliche Schaden wird bereits jetzt auf etwa sechs Milliarden Dollar geschätzt. 2,4 Millionen Menschen sind landesweit von den Überschwemmungen betroffen, mehr als 100 000 von ihnen leben in Flüchtlingslagern. Mindestens 373 Menschen sind der gewaltigen Naturkatastrophe bislang zum Opfer gefallen. Die meisten von ihnen sind ertrunken oder durch Stromschläge getötet worden.

Und die Katastrophe ist nicht nur auf Thailand begrenzt: In ganz Südostasien sind dieses Jahr mehr als 700 Menschen bei Naturkatastrophen ums Leben gekommen. Im benachbarten Kambodscha sind – ebenfalls bei Überschwemmungen – mehr als 200 Menschen getötet worden.

Wie schnell kommt die Hilfe bei den Menschen an?

Bislang scheinen die Behörden in Thailand die Folgen der Katastrophe gut in den Griff zu bekommen. Tausende freiwillige Helfer kümmern sich um die Flutopfer, die in Schulen, Gemeindehallen und in Universitäten untergekommen sind. Dort versorgen Ärzte die Menschen, die oft an Atemwegserkrankungen und Durchfällen leiden. Seuchen sind bislang nicht ausgebrochen, was angesichts der Ausmaßes der Katastrophe an ein Wunder grenzt. Thailändische Konzerne spenden im großen Stil Medikamente und Lebensmittel.

Auch aus dem Ausland treffen Spenden ein – das deutsche Auswärtige Amt hat 500 000 Euro zur Verfügung gestellt –, die über Hilfsorganisationen in Form von Decken, Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern unter den Betroffenen verteilt werden. Die japanische Regierung hat angekündigt, Tausende thailändische Arbeiter ins Land zu lassen, die durch die Überflutungen ihre Jobs bei japanischen Produktionsstätten in Thailand verloren haben. Thailands Regierung hat vor wenigen Tagen ein milliardenschweres Hilfspaket verabschiedet, mit dem angeschlagene Firmen durch die schwere Zeit nach der Flut gebracht werden sollen. Die Behörden gehen davon aus, dass es noch vier bis sechs Wochen dauern wird, bis das Hochwasser abgeflossen ist.

Was sind die Ursachen der Katastrophe?

Eine ganze Reihe von Faktoren hat dazu beigetragen, dass aus den alljährlichen Überschwemmungen eine gewaltige Naturkatastrophe werden konnte. Über Jahrzehnte wurde der Hochwasserschutz einer rapiden wirtschaftlichen Entwicklung untergeordnet. So sind im gebirgigen Norden des Landes viele Wälder, die als natürliche Wasserreservoire hätten dienen können, abgeholzt worden. Entlang der großen Flüsse sind Überschwemmungs-Flächen verbaut worden. Einige der großen Industriegebiete nördlich von Bangkok, die in den vergangenen Wochen überflutet wurden, stehen auf solchen Überschwemmungsflächen. In Bangkok sind in den vergangenen Jahrzehnten etliche Kanäle zugeschüttet worden. Zugleich wurde die Stadt so dicht bebaut, dass es heute kaum noch Grünanlagen oder offene Flächen gibt, auf die eindringendes Hochwasser ausweichen könnte.

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