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Frankreich: Wieder tritt Uranwasser aus Atomanlage aus

Es ist erst eineinhalb Wochen her, dass in einer Atomanlage in Frankreich uranhaltige Flüssigkeit ausgetreten ist - nun sickert schon wieder Wasser aus einer Brennstäbefabrik. Die Atomaufsicht sieht keine Gefahr für die Umwelt.

In Frankreich hat sich binnen eineinhalb Wochen ein zweiter Zwischenfall in einer Atomanlage ereignet. Nach dem Auslaufen von radioaktiver Flüssigkeit im südfranzösischen Tricastin trat nun in einer Brennstäbefabrik in der Nähe von Grenoble uranhaltige Flüssigkeit aus, wie die Behörden am Freitag mitteilten. Aus einer brüchigen Leitung seien "zwischen 120 und 750 Gramm Uran" ausgetreten, erklärte die Atomaufsicht ASN. Eine Gefahr für die Umwelt bestehe nicht, das Uran sei nicht ins Freie gelangt. Frankreichs Umweltminister Jean-Louis Borloo kündigte an, er wolle sämtliche Kontroll- und Sicherheitsmechanismen "eingehend prüfen".
 
Nach Angaben der Brennstäbefabrik, einer Tochterfirma des französischen Atomkonzerns Areva, sei die Leitung schon "seit mehreren Jahren" brüchig gewesen, erklärte die Aufsichtsbehörde in Lyon. Die Firma FBFC habe die Behörde am Donnerstagabend informiert, und diese habe die Anlage in Romans-sur-Isère noch in der Nacht untersucht. Den Kontrolleuren zufolge sei der Vorfall auf der gängigen Gefahrenskala von null bis sieben bei eins einzuordnen - als "Anomalie" wie der Vorfall in Tricastin. Der erneute Zwischenfall sei dennoch nicht vergleichbar mit Tricastin, sagte eine ASN-Sprecherin. In Romans-sur-Isère sei kein Uran in die Umwelt gelangt, und das Grundwasser sei "sehr weit weg".
   
Der Verwaltungsbezirk Drôme erklärte, die Betreiberfirma sei bei Instandhaltungsarbeiten auf die schadhafte Betonleitung aufmerksam geworden. Das Unternehmen habe rasch reagiert und mit den nötigen Untersuchungen begonnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die radioaktive Flüssigkeit in den Boden gesickert sei, sei "sehr, sehr gering", sagte eine Bezirkssprecherin. Laut der Areva-Tochter handelt es sich um eine Leitung, die eine Fertigungsstätte mit einer Reinigungsanlage verbindet. "Die Leitung, die versagt hat, wurde geschlossen", erklärte das Unternehmen. FBFC stellt Brennstäbe für Atomkraftwerke und Forschungsreaktoren her.

Kontrolle über die Atomkraft verloren

 
Umweltminister Borloo sagte bei einer Pressekonferenz, er wolle bis zum Herbst alle Mechanismen der französischen Atomanlagen eingehend prüfen, vor allem was Information, Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen angehe. Wichtig sei ihm auch, dass nach einem Zwischenfall schnell gehandelt werde: Eine Betreiberfirma müsse die zuständigen Stellen "sofort informieren, nicht drei Stunden danach", kritisierte der Minister. Er habe den Eindruck, dass "im Herzen" der französischen Atomanlagen sehr streng auf alles geachtet werde - bei der Abwasserbehandlung und ähnlichen Bereichen aber "weniger" streng. Laut Borloo gab es vergangenes Jahr landesweit 86 Vorfälle der Stufe eins.
   
In Tricastin waren Anfang vergangener Woche in einem Betrieb zur Reinigung radioaktiv verstrahlter Materialien sechs Kubikmeter uranhaltige Flüssigkeit in die Umwelt gelangt. Der Betreiberfirma Socatri wurde vorgeworfen, sie habe die Aufsichtsbehörde erst Stunden später in Kenntnis gesetzt. Das Mutterhaus Areva feuerte den Leiter des Betriebs am Donnerstag. Areva-Chefin Anne Lauvergeon wurde am Freitagnachmittag in Tricastin erwartet.
   
Der Dachverband der französischen Umweltschutzorganisationen, France Nature Environnement, sprach von einer "tragischen Tour de France der Atomunfälle". Die Atomaufsichtsbehörde halte Informationen ein ums andere Mal zurück, und die Politik müsse sich "mit der Rolle des Sportberichterstatters begnügen". Mittlerweile habe die Politik "die Kontrolle über die Atomkraft verloren". Die Atomkraftgegner von Sortir du Nucléaire (Atomausstieg) forderten den Rücktritt von Areva-Chefin Lauvergeon. (mpr/AFP)

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