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Panorama: Frau am Steuer

Wie eine junge Ägypterin in Kairo den ersten Harley-Davidson-Club des Landes gründete – und was ihre Familie davon hält

Ein Freitagmorgen vor dem „Café Costa“ im Kairoer Stadtteil Maadi: 13 Männer in schwarzer Lederkluft schwingen sich auf ihre metallisch glänzenden Harley Davidsons, lassen die Motoren aufheulen und brausen davon. Zurück bleibt eine junge Frau, die mit ihren Spangen im Haar fast kindlich wirkt, während sie den starken Jungs hinterwinkt. Die 26-jährige Engy Ghattas atmet tief durch. Ihrem Blick ist anzusehen, dass sie am liebsten auch eine der schnittigen Maschinen bestiegen hätte. Aber sie war beim Treffen der „HOGs“ (Harley Owner Group) nur dabei, um nach ihren Jungs zu schauen – und nach ihren Motorrädern.

Mit dem Auto fährt Ghattas zurück in die erste Harley-Davidson-Niederlassung Äygptens, die sie vor sechs Jahren eröffnet hat. „Es ist hart, die Motorräder nur zu verkaufen und nicht selbst zu fahren“, sagt sie. Aber ihr Vater und ihr Bruder finden es nun mal unziemlich, wenn ägyptische Frauen Motorrad fahren. Das akzeptiert die Geschäftsfrau. Noch.

Engy Ghattas liebt Herausforderungen. Sie hat die US-Kultmarke Harley Davidson und den dazugehörigen Lebensstil in ein Land eingeführt, das den amerikanischen Traum aus politischer Enttäuschung nicht mehr teilt. Sie verkauft Motorräder in einer Stadt, deren löchrige Straßen täglich von Millionen klappriger Autos und Eselskarren verstopft sind. Und als Frau in einer immer stärker islamisierten Gesellschaft verkauft sie ihre Ware ausschließlich an Männer. „Wenn die Kunden das erste Mal kommen, beharren sie darauf, einen Berater zu sprechen“, sagt Ghattas lächelnd Aber wenn sie ihnen dann die Vorzüge des Sportster oder den neusten Motor der Night Rod erklärt, horchen sie auf.

Motorräder haben Ghattas schon immer fasziniert. „Als Kind habe ich immer vom Fliegen geträumt, dem kommt das Motorradfahren wohl am nächsten“, erzählt sie. Ihre Passion für die amerikanische Biker-Marke habe sie aber erst mit der Arbeit entdeckt. Etwa 120 Harleys hat Ghattas seit 2000 in Kairo verkauft, und eine Gruppe von etwa 40 Männern aufgebaut, die gemeinsam durch Ägypten fahren und sich jeden Freitagmorgen zum Kaffee in der Niederlassung treffen.

„Natürlich war es ein Wagnis, Harley Davidson in Ägypten einzuführen“, erinnert sich Ghattas, die Management studiert und in der Werbebranche gearbeitet hat. Ganz aus eigener Kraft ist sie nicht zu ihrem Job gekommen. Es ist eine typische Familiengeschichte: Ihr Vater ist in der Automobilbranche erfolgreich und erwarb die Rechte zum Vertrieb der amerikanischen Kulträder in Ägypten, „zunächst aus reinem Prestige-Denken“, sagt Ghattas. Motorräder haben in Ägypten kaum Kultwert. Sie werden entweder zum Ausfahren von Pizza oder für andere Botengänge benutzt. Und wer sich kein Auto leisten kann, transportiert Frau und Kinder auf billigen chinesischen Motorrädern mit Beifahrersitz durch den chaotischen Verkehr in Kairo.

„Harley Davidson ist nicht nur ein Motorrad, sondern ein Lebensstil“, doziert Ghattas die Philosophie des US-Unternehmens. Vom „amerikanischen Traum“, den der Harley-Davidson-Club in Deutschland auf seiner Website als verbindendes Element nennt, spricht sie nicht. Bevor sie die ersten Maschinen verkaufte, führte Ghattas Kaffeetreffen am Freitagmorgen ein, bei denen getratscht und Tischfussball gespielt wird. Heute ist dieser Stammtisch der Ausgangspunkt für Tagestouren in die Oase Fayyoum oder nach Ain Suchna ans Rote Meer, jeweils eine Stunde von Kairo entfernt. Die Kunden sind eine homogene Gruppe: Männer zwischen 35 und 55 Jahren, fast ausschließlich erfolgreiche Geschäftsleute, ein paar ausländische Diplomaten. Der Grund: 47,5 Prozent Steuern verlangt der Staat für Motorräder – im Durchschnitt kosten die Maschinen um die 20 000 Dollar. Ein absoluter Luxus, fast eine Provokation in einem armen Land wie Ägypten. Aber in dieser Nische der reichen Männer, die von einer zweiten Jugend träumen, hat sich Ghattas erfolgreich etabliert: 30 bis 35 Maschinen verkauft sie mittlerweile im Jahr.

Viele Ehefrauen der Oberschicht sind allerdings entsetzt, wenn ihre Männer schwarzlederne Halbstarkenmonturen anlegen. „Die Frauen sind ein Problem“, räumt Ghattas ein. Deshalb lädt sie auch sie zu den Morgenkaffees ein und ermutigt sie, als Beifahrerinnen auf die Harleys zu steigen. Und bald will auch sie selbst die letzte Hürde nehmen. Kürzlich hat sie geheiratet, seitdem haben Vater und Bruder nicht mehr das letzte Wort. Ob ihr Mann im Ehevertrag versprechen musste, dass seine Frau Motorrad fahren darf, will Ghattas nicht sagen. Nur so viel: „Er teilt meine Begeisterung und will sich auch eine Harley kaufen.“ Auf Ghattas als Beifahrerin kann er jedoch nicht rechnen. Sie hat sich schon ihre eigene Harley bestellt.

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