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Panorama: Für Becker ist das ein Sieg

Strafe auf Bewährung – und der frühere Tennis Star ist erleichtert über das Urteil

Als alles vorbei war, blickten sich der Angeklagte und seine Richterin noch einmal tief in die Augen. Und lächelten. Gleich nachdem die Vorsitzende um Viertel nach zehn an diesem Morgen das Verfahren für beendet erklärt hatte, stand Boris Becker auf, ging hinüber zur Richterbank und gab Huberta Knöringer die Hand. Die hielt sie fest und beide sprachen fast eine Minute lang miteinander. Worüber, das war leider nicht zu verstehen, aber man kann sich sehr gut vorstellen, dass die Worte „Danke“ und „gerechtes Urteil“ gefallen sind. Denn nachdem der Tennisstar sich auch von den Schöffen, den Beisitzern und der Protokollantin freundlich verabschiedet hatte, konnte er den Gerichtssaal A 101 des Münchner Strafjustizgebäudes verlassen. Als freier Mann.

Das war knapp vierzig Minuten zuvor noch nicht klar gewesen. Als Richterin Knöringer das Urteil verkündete, herrschte atemlose Spannung. Am Vortag hatte Staatsanwalt Mathias Musiol dreieinhalb Jahre Haft gefordert. Angesichts der 1991 bis 1993 hinterzogenen Steuer in Höhe von rund 1,7 Millionen Euro sei eine harte Strafe nötig, erklärte er.

Beckers Verteidiger, die renommierten Steueranwälte Klaus Volk und Jörg Weigell, hatten eine Bewährungsstrafe gefordert – ihrem Antrag folgte dann auch Richterin Knöringer. Zwei Jahre auf Bewährung lautete ihr Urteil, dazu kommen 500000 Euro Geldstrafe, von denen 200000 an wohltätige Organisationen gehen. In ihrer Begründung hob sie vor allem Beckers Schuldeingeständnis vom Verhandlungsbeginn als strafmildernd hervor, „das uns eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart“ hat. Dann fügte sie noch hinzu: „Diese Beweisaufnahme wäre übrigens nicht einfach gewesen, und ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, wie sie ausgegangen wäre.“ Auf dieses Risiko hatten sich Becker und seine Anwälte nicht einlassen wollen und behielten Recht mit ihrer Taktik.

Zu Beckers Gunsten habe aber auch gesprochen, sagte Huberta Knöringer, dass er zum Zeitpunkt der Steuerhinterziehung noch sehr jung und „von einem Heer von Beratern umlagert war“, die ihm alles aus der Hand genommen hätten. Zudem habe er seine Steuerschulden zurückgezahlt und für die Steuerforderungen kommender Jahre bereits eine erhebliche Summe hinterlegt. Letztlich komme ihm auch zugute, dass er im Gegensatz zu anderen Sportstars aus dem Steuerparadies Monaco nach Deutschland zurückgekehrt sei und seit 1994 seine Steuern bereits wieder hier zahle.

Boris Becker verfolgte die Urteilsbegründung zunächst reglos und mit starrem Gesichtsausdruck, nur ganz langsam entspannten sich dann seine Züge, als begreife er erst allmählich, dass er noch einmal davongekommen ist. Sichtlich nervös hatte er gewirkt, als er an diesem Morgen den Saal betreten hatte, um dann wieder ein paar Runden für die Fotografen zu drehen, die Hände in den Taschen, ein Kaugummi im Mund. Ein Foto von Boris Becker, der als Angeklagter auf seinem Stuhl sitzt, gab es auch heute nicht, er blieb stehen, bis der Saal geräumt war. Dafür verteilten PR-Mitarbeiter direkt nach Prozessende bereits eine Presserklärung. Er sei „froh und erleichtert, dass dieses Kapitel nun endlich abgeschlossen ist“, ließ Becker darin melden. „Das war mein wichtigster Sieg.“ Becker selbst entfloh schnell in Richtung Tiefgarage und wollte sich zum Urteil nicht äußern.

Von einem Promi-Bonus oder -Malus, über den viel diskutiert worden war, wollte hinterher niemand mehr etwas wissen. Die Richterin betonte, dass sich Becker keinesfalls habe freikaufen können. Selbst Staatsanwalt Musiol, der immer etwas verkniffen wirkt, gestand ein, das „dieses Urteil eben Ermessenssache ist, die Richter haben das grundsätzlich auch nicht anderes bewertet als ich.“ Es gilt als unwahrscheinlich, dass er in Revision geht. Auch das Publikum war offensichtlich mit dem Richterspruch zufrieden. Als das Urteil verkündet wurde, brandete auf der Zuschauertribüne und sogar bei den Presseleuten anhaltender Applaus auf.

Jörg Schallenberg München

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