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Panorama: Für ein paar Milliarden weniger

Madeleine Schickedanz, Erbin der Quelle-Dynastie, muss zusehen, wie ihr Vermögen dahinschmilzt

Von Andreas Oswald

Noch im vergangenen Jahr gehörte Madeleine Schickedanz zu den reichsten Menschen der Welt. Die Erbin der Schickedanz-Dynastie, die die deutsche Nachkriegsgeschichte prägte wie kaum eine andere Unternehmerfamilie, belegte 2007 auf der weltweiten „Forbes“-Liste Platz 142. Auf mehr als fünf Milliarden Dollar wurde ihr Vermögen geschätzt.

Das war im vergangenen Jahr. Heute ist Madeleine Schickedanz nicht mehr Multimilliardärin, sondern nur noch Multimillionärin.

Bisher hieß es immer: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Es gehört zu den Ironien der Geschichte, dass seit Beginn der Finanzkrise diese Gewissheit in ihrer Absolutheit so nicht mehr stimmt. Die ersten Opfer sind die Reichen. Die Banken, die Täter, haben gezockt, und zuerst sich und die Vermögen der Reichen in den Abgrund gezogen.

Ihre nächsten Opfer sind die Armen. Und die arm Gewordenen. Von ihnen wird noch viel zu reden sein in der nächsten Zeit, Rentner, deren Erspartes sich mit Fondssparplänen und Zertifikaten der Banken in Luft auflöst, Mitarbeiter, die ihre Arbeit verlieren, Völker, deren Wirtschaft implodiert.

Die Reichen zuerst. Der Vermögensverfall der Madeleine Schickedanz, er ist ein beispielloser Absturz. Das Versandhaus Quelle steht für das deutsche Wirtschaftswunder, es steht für die ersten Früchte der harten Arbeit nach dem Zweiten Weltkrieg, es steht für den ersten zarten Konsum im Nachkriegsdeutschland, und es steht in gewisser Weise für die Kontinuität der deutschen Geschichte. Der mit Karstadt fusionierte und in den Namen Arcandor umgetaufte Großkonzern wurde vor der Finanzkrise im letzten Jahr an der Börse noch mit einem Kurs von 29,52 Euro gehandelt. Der Tiefstkurs vor zwei Wochen lag bei 1,46 Euro. Das ist ein Absturz um 95 Prozent.

Gestern genehmigte das Kartellamt den Einstieg der Privatbank Sal. Oppenheim in den Konzern. Sie erwarb den 30-Prozent-Anteil zu einem Spottpreis und machte die Erbin von der Mehrheitseignerin zur Minderheitseignerin.

Madeleine Schickedanz, die am Montag 65 Jahre alt wurde, hat sich Zeit ihres Lebens immer im Hintergrund gehalten. Gesellschaftlichen Ereignissen bleibt sie fern, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Anfragen für Interviews werden regelmäßig freundlich abschlägig beschieden. Um den ganzen Jetset- und Schickeria-Zirkus macht sie einen großen Bogen. Die Erbin weiß, was Schicksalsschläge bedeuten. 1982 erkrankte ihre damals vierjährige Tochter Caroline an Krebs, Leukämie. Sie zog mit ihrer Tochter von Krankenhaus zu Krankenhaus. Caroline wurde geheilt, und Madeleine Schickedanz gründete eine Leukämie-Stiftung. Für sie ist sie sogar bereit, manchmal in der Öffentlichkeit aufzutreten.

Geboren wurde Madeleine Schickedanz 1943 im Luftschutzbunker der Nürnberger Frauenklinik. Ihr Vater Gustav hatte 1927 den Versandhandel Quelle gegründet. Die Kunden konnten unter Umgehung des Zwischenhandels direkt an der Quelle einkaufen. Das war billiger. Als Gustavs Ehefrau tödlich verunglückte, heiratete er das Kindermädchen, Grete Lachner. Madeleine war ihr erstes und einziges Kind. Nach dem Krieg baute Grete den zu einem Großteil zerstörten Quelle-Versand wieder auf. Ihr Mann durfte das nicht, er hatte bis 1949 Berufsverbot, weil er in der Nazizeit im Fürther Stadtrat saß.

Madeleine studierte Betriebswirtschaft und lenkte später den Konzern unter anderem mit ihren Ehemännern, die immer höchste Führungspositionen erhielten. Diese mussten sie dann wieder abgeben, wenn eine Scheidung anstand. Ihr erster Mann war Hans-Georg Mangold, Sohn einer Nachbarsfamilie, einer angesehenen Fürther Spielwarendynastie. Ihr zweiter Mann Wolfgang Bühler feuerte viele Manager, bevor er Ehebett und Konzern verlassen musste. Madeleine Schickedanz ist in dritter Ehe mit Leo Herl verheiratet. Sie griff beherzt in die Personalentscheidungen des Konzerns ein, letzter großer Wurf sollte der vormalige Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff werden. Sie war so sehr von ihm überzeugt, dass sie bereit war, große, unbekannte Summen zusätzlich aus ihrem sonstigen Vermögen in den Konzern zu stecken, als es bergab ging.

Es ist eine Art von Treue, wie es sie in der neuen Wirtschaftswelt kaum noch gibt. Eine emotionale Verbundenheit zum eigenen Werk, zum Werk der Familie, das der Erbin nicht egal ist. Bei Arcandor hat mit der gestrigen Zustimmung des Kartellamtes jetzt eine Bank das Sagen. Die Beteiligung der Erbin ist auf einen Rest geschrumpft.

Vielleicht ist das eine Erleichterung.

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