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Fukushima: Kampf mit den Elementen

In Fukushima werden jetzt Arbeiter in den Reaktor 1 geschickt – trotz hoher Strahlenbelastung. Ein Greenpeace-Experte bezeichnet den Arbeitseinsatz als "Experiment, das es so bisher nicht gegeben hat".

Von Andreas Oswald

Nach den Robotern kommen die Arbeiter. Knapp zwei Monate nach der Havarie des Atomkraftwerks im japanischen Fukushima haben Arbeiter wieder eines der verstrahlten Reaktorgebäude betreten. Ihre Aufgabe sei es, das Kühlsystem im Reaktor Nummer 1 wieder zu installieren, berichtete die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Donnerstag. Die Agentur berief sich dabei auf den Kraftwerksbetreiber Tepco. Tobias Riedl, Atomexperte von Greenpeace, erklärte am Donnerstag, das Ziel der Operation sei, den kompletten Sicherheitsbehälter mit Wasser zu fluten. Zuvor aber müssten die Arbeiter Ventilatoren und Filteranlagen installieren, um die Radioaktivität in dem Gebäude zu senken, damit die Arbeiter länger darin arbeiten könnten. Derzeit dürfen sie wegen der hohen Strahlenbelastung nicht länger als zehn Minuten dort verweilen. Zwar haben die Arbeiter Schutzmasken und Spezialanzüge, diese könnten aber die Strahlung nur in geringem Maße abhalten, sagte Riedl.

Die zwölf Männer sollen in Vierergruppen arbeiten, berichtete Jiji Press. Das Akw Fukushima Eins war beim Mega-Erdbeben vom 11. März und dem anschließenden Tsunami schwer beschädigt worden. Im Reaktor 1 hatte es eine Explosion gegeben. Die Brennstäbe in der Anlage konnten nicht mehr richtig gekühlt werden und gerieten teilweise außer Kontrolle. Um die Lage in dem Akw, das sechs Blöcke hat, wieder in den Griff zu bekommen, müssen die überhitzten Brennstäbe stark abgekühlt werden. Die Havarie in dem Akw war auf der internationalen INES-Skala auf der höchsten Stufe 7 eingestuft worden – ebenso wie der Unfall in Tschernobyl vor rund 25 Jahren.

Wegen der hohen Radioaktivität war bislang der Einsatz in den Reaktorgebäuden unmöglich gewesen. Doch nachdem Roboter vergangene Woche neue Daten über die gesunkene Radioaktivität in einigen Bereichen des Reaktors gesammelt hatten, kam die Entscheidung zum Arbeitseinsatz, sagte ein Tepco-Sprecher.

Greenpeace-Experte Riedl bezeichnete den Arbeitseinsatz als „Experiment, das es so bisher nicht gegeben hat“. Da der Reaktordruckbehälter mit den Brennstäben nicht ausreichend gekühlt werden könne, werde jetzt der gesamte umgebende Sicherheitsbehälter geflutet, in der Hoffnung, die Lage in den Griff zu bekommen. Es sei angesichts der Explosion völlig unklar, ob der Sicherheitsbehälter noch dicht und unbeschädigt sei.

Sollte Tepco die Lage in Fukushima unter Kontrolle bekommen, könnte der falsche Eindruck entstehen, selbst schwere Atomunfälle seien vom Menschen beherrschbar. Greenpeace-Experte Riedl wies aber darauf hin, dass die weitreichenden Folgen für die Bevölkerung erst noch kommen. Die radioaktive Belastung wirke sich erst nach und nach aus, wenn die Lebensmittel über Jahrzehnte hinweg zunehmend belastet sein werden und in der Folge die Gesundheit vieler Menschen beeinträchtigt wird. Auch in Tschernobyl seien viele Menschen erst nach fünf oder zehn Jahren an Krebs erkrankt. Es bestehe die Gefahr, dass diese Langzeitfolgen in der öffentlichen Wahrnehmung irgendwann in Vergessenheit gerieten.

Falls der Betreiber das havarierte Atomkraftwerk Fukushima Eins unter Kontrolle bringt, will Japans Regierung im Januar 2012 über eine mögliche Rückkehr von Bewohnern in die Sperrzone entscheiden. Um das Kraftwerk ist eine 20-Kilometer-Sperrzone eingerichtet worden, die nur mit Genehmigung betreten werden darf.

Betreiber Tepco (Tokyo Electric Power Company) hatte Mitte April einen Zeitplan für die Arbeiten veröffentlicht. Das Unternehmen hofft, die Reaktoren innerhalb von drei Monaten wieder zuverlässig kühlen zu können und in neun Monaten wieder volle Kontrolle über die Reaktoren zu haben. Tepco kündigte auch an, einen Filter zur Dekontaminierung des radioaktiv verseuchten Meerwassers entwickeln zu wollen. Wie der japanische Fernsehsender NHK berichtete, soll das Wasser dafür durch einen großen Filter voller Zeolithe gepumpt werden.

Diese Substanzen haben eine sehr große Oberfläche und sollen radioaktive Atome wie Cäsium-137 binden. Tepco konnte laut NHK nicht ausschließen, dass weiterhin radioaktiv belastetes Wasser aus dem Kraftwerk austrete. Es liegt unmittelbar am Pazifik. Die radioaktive Belastung des Meeresgrundes vor Fukushima Eins liegt 100- bis 1000-fach höher als in Normalzeiten. mit dpa

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