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Panorama: Gaumenfreuden: Von Tradition gefestigt - oder luftig modern?

München hat es gut! München besitzt einen bedeutenden Bäckereibetrieb, der mit seinen Graubroten aus Natursauer Maßstäbe setzt.

München hat es gut! München besitzt einen bedeutenden Bäckereibetrieb, der mit seinen Graubroten aus Natursauer Maßstäbe setzt. Dass dieses Unternehmen ausschließlich Getreide aus ökologischem Feldbau verwendet, spielt dabei zunächst einmal keine so große Rolle; gleichwohl kennzeichnet sie den übergeordneten Anspruch der alteingesessenen Münchner "Hofpfisterei", mit dem sogar die vielen kleinen, auf Öko abonnierten Betriebe der Stadt zu kämpfen haben. Überhaupt lässt sich ja ganz allgemein und über einige Jahre hinweg die schleichende Konvergenz zwischen Backwaren ökologischer Provenienz und solchen normaler Betriebe feststellen: Während die einen sich schneller als gedacht vom in Kastenform erstarrten Müsli entfernen und nun Teige in den Ofen schieben, deren wesentlich feinere Textur sozusagen klassisch wirkt, entsprechen die anderen dem gestiegenen Gesundheits- und Qualitätsbewusstsein ihrer Kunden mit Laiben aus vollem Korn, oft angereichert mit diversen Nüssen und Cerealien. Wegen einem Butterbrot verlangt kaum einer mehr nach dem Ideologen, der in der Natur das schlechthin Gute sieht.

Die Hofpfisterei selber hat da keine Umstellungsprobleme. Sie liefert sowohl von Tradition gefestigte als auch in moderner Luftigkeit gebackene Batzen im Zweikilo-Format, die in einem bewunderungswürdigen Zusammenspiel von leicht kuchiger Süße, sich nacheinander im Gaumen lösenden Säureeindrücken sowie einem nicht sehr dominanten Krustenaroma geprägt sind. Bestes Beispiel dafür ist ihr Öko-Sonnenblumenbrot, das es nun - neben einigen anderen Sorten - Dienstag und Donnerstag frisch von der Isar bei "Satis-DiVinum" in der Nähe des Rosenthaler Platzes gibt.

Die vielleicht ein bisschen zu harmlos wirkende und auf ein Massenpublikum zielende Geschmack des Pfisterbrots animierte die Mitglieder unserer monatlichen Probiergesellschaft, flugs auf Trebe in Berliner Bezirke zu gehen um dort aus Roggen und Weizen bestehende Brote einzuholen, von denen erwartet werden durfte, dass sie den Vergleich mit diesem süddeutschen Riesen aushalten. Schon nach kurzer Zeit hatte die Runde einen Favoriten gefunden. Es handelte sich dabei um das Bamberger Gewürzbrot, das mit einem Preis von knapp 14 Mark fürs Kilo vom KaDeWe wie ein Luxusgegenstand gehandelt wird. Im Schnitt erkennt man überwiegend kleine Poren, die von einer gleichmäßig durchgebackenen, ziemlich dunklen Kruste umfangen sind. Gemessen an den meisten anderen Broten mit hohem Roggenanteil verfügt es über einen wahren Akkord von Säuren, die trotzdem dezent wirken, um die wie Parfum eingesetzten, vollständig gemahlenen Gewürze nicht in den Hintergrund zu drängen. Anis ist deutlich zu spüren, Koriander und Kümmel sind zu ahnen.

Das würzige Roggen-Weizen der Wilmersdorfer Bäckerei Weichardt, der wohl ältesten Biobäckerei unserer Stadt, gefiel auf Anhieb und ließ die vergleichbaren Sorten vom braven "Backhaus" und dem etwas zupackenderen "Märkischen Landbrot" (beide in Filialen, vielen Reformhäusern und auf Märkten erhältlich) weit hinter sich. Selbst das in jüngster Zeit oft gelobte Brot von "Backstern" konnte höchstens in punkto Kruste, auf die man sich offenkundig spezialisiert hat, mithalten. Seine labbrige Konsistenz hingegen erwies sich als ziemlich aromakarg. Eine Dichte, die beim Schneiden keinen Krümel von sich gibt, belebende Säuren und ein Geschmack nach kräftigem Korn und Ofen sind Weichardts Markenzeichen - und mit ein paar Abstrichen ist das auch vom Bauernbrot von Mälzer zu sagen. Es würde hier ausführlicher gewürdigt, wenn da nicht das Rheinländische Vollkornbrot aus dem gleichen Haus gewesen wäre, das alle begeisterte. Von fast pumpernickelartiger Struktur, erscheint es aus Korn und Sonnenblumenkernen wie gestrickt und schmeckt im besten Sinne herzhaft. Doch Vorsicht, man sollte diesen ausgesprochenen Glücksfall, für den man nicht in die Fertigbrottheke greifen muss, aufgeschnitten in der Tüte kaufen, denn der ganze Laib stellt das Messer schnell vor ernste Probleme.

Bevor wir uns den preiswerteren Sorten zuwandten, versuchten wir schnell noch das teure "Pain Poilâne", das jeden Mittwoch aus Paris am Lenôtre-Stand im KaDeWe und bei "Ma¬¤tre Philippe" anlangt. Dieses Wunder aus breitporiger Konsistenz und bemehlter Kruste hat die Runde am meisten enttäuscht, weil gleich ein merkwürdig grasiger Beigeschmack störte. Er fiel umso mehr ins Gewicht, weil dieses Bauernbrot aus der Großstadt nur ganz entfernt Sauerteigeigenschaften besitzt. Nach einem Tag dann hatte dann der angeschnittene Laib schon eine Reihe fremder Gerüche - angefangen beim Packpapier - allzu willig in sich aufgesogen. In keinem größeren Kontrast dazu könnte das ebenfalls als Bauernbrot titulierte Mischbrot der alten "Bäckerei Balzer" in Mitte stehen. Auf den ersten Blick ein absolutes Durchschnittsbrot, obendrein schwammig bis in die Kruste hinein, für das man eigentlich nicht zum Bäcker müsste, entfaltet es im Mund ein wohl austariertes Aroma aus schwungvoller Säure und Hefe, die von einem kräftigen Salzanteil zusammengehalten wird. Balzers Stullen (und erst recht die soliden Schrippen) dürften in der Familie mehrheitsfähig sein, weil sie so unterschiedliche Beläge wie Schinken, Schafskäse, Nutella oder gar Vitam-R Hefeextrakt mit gleichmütiger Würde tragen. Als Alternative bot sich uns das Pommernbrot von "Höhn" aus Neukölln an, das sich zunächst etwas süßlich gibt, dann säurestark und das nicht zuletzt von einem starken Kontrast zwischen Rinde und Teig lebt.

Nach mehreren Tagen mit saurem, grauen Brot regte sich bei uns Brotest. Doch die Gelüste mochten sich nicht ganz vom gebackenen Korn lösen; wir eilten ökologisch wertvoll mit dem Rad zur "Trattoria á Muntagnola" in der Schöneberger Fuggerstraße und verspeisten Pino Biancos weißgraues Ringbrot mit Olivenöl und Hochgenuß. Da bemerkten wir erst, daß wir uns dem gewiß deutschesten aller Nahrungsmittel wie neugierige Italiener genähert hatten.

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