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Wie lange wird die Ehec-Gefahr noch andauern? Der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD), beißt bei einer Pressekonferenz in der Nähe von Boizenburg demonstrativ gut gelaunt in eine Möhre.

© dpa

Gefährlicher Erreger: Ehec: Die Spur führt zum Mittagstisch

Die Zahl der Ehec-Erkrankungen geht zurück, für eine Entwarnung ist es aber zu früh. Im Kreis Paderborn ist eine Grundschule geschlossen worden, weil drei Schüler erkrankt sind.

Alle Kinder einer Grundschule im ostwestfälischen Altenbeken haben bis nächsten Dienstag schulfrei. Unbeschwert freuen können sie sich nicht darüber. Denn Grund für die verfrühte Schulpause – die Sommerferien beginnen in Nordrhein-Westfalen erst Ende Juli – ist die Ehec-Erkrankung, die drei Schüler getroffen hat. Zwei der Grundschüler sind schwer, einer leichter erkrankt, alle werden sie von Spezialisten im Uniklinikum in Münster behandelt.

Wie und wo die Kinder sich angesteckt haben, ist noch unklar. Es gibt aber inzwischen eine heiße Spur, und die führt zum gemeinsamen Mittagstisch. Denn bei drei Mitarbeiterinnen der Essensausgabe der Schule und einem Mitarbeiter des Caterers, der die Schule versorgt, war der Schnelltest auf Ehec positiv. Das endgültige Ergebnis der Stuhlprobenuntersuchung steht aber noch aus, wie der Kreis Paderborn mitteilt. Noch ist also unklar, ob die Bakterien, die bei den Angestellten gefunden wurden, tatsächlich zum gefährlichen neuen Ehec-Stamm gehören. Und die vier Erwachsenen, bei denen sie nachgewiesen wurden, sind selbst sind nicht erkrankt.

Doch Georg Alles, der Leiter des zuständigen Kreisgesundheitsamtes in Paderborn, sieht sich nach den vorläufigen Testergebnissen vor einer neuen Ausgangslage. „Es könnte durchaus sein, dass sich die Kinder über kontaminierte Lebensmittel angesteckt haben.“ Schließlich habe auf dem Weg des Essens von der Küche zum Kind gleich zweimal die Möglichkeit einer Übertragung der Keime auf Nahrungsmittel bestanden – zuerst über die Hände der Küchenangestellten, später über die der Mitarbeiterinnen, die das Essen vor Ort austeilten.

Noch ist das nur eine Vermutung, wenn auch eine recht plausible. Die Kinder könnten sich allerdings auch auf der Schultoilette oder auf einer anderen Toilette per Schmierinfektion angesteckt haben. Die drei anderen Schulen des Ortes sind allerdings nicht von der Infektionskrankheit betroffen. Und insgesamt kamen bisher nur knapp zehn Prozent der Ehec-Infektionen im bevölkerungsreichen Bundesland Nordrhein-Westfalen vor. „Es sind zwei Spuren, nicht mehr und nicht weniger“, resümiert deshalb Gesundheitsamtschef Alles bewusst vorsichtig. Wenn Schulleitung und Ämter sich nun entschlossen haben, die Schule für eine Woche komplett zu schließen, so tragen sie damit einerseits den Sorgen der Eltern, andererseits auch der Inkubationszeit, also der Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch der Erkrankung, Rechnung: Drei bis vier Tage dauert es nach den bisherigen Erfahrungen, bis Ehec sich mit Durchfall bemerkbar macht. Ungefähr eine Woche später beginnen bei den schwer Betroffenen die Symptome des gefürchteten HUS, des hämolytisch-urämischen Syndroms, das zu schweren Nierenschäden, Blutarmut und neurologischen Ausfällen führen kann. Noch ist deshalb unklar, ob sich noch mehr Schüler angesteckt haben. Die Frage ist also, ob am nächsten Dienstag alle Altenbeker Grundschüler wohlbehalten in die Schule zurückkehren können. Dass bisher noch keine weiteren Kinder erkrankt sind, wertet Alles jedenfalls als gutes Zeichen.

Und es besteht Hoffnung, dass es dem Trend entspricht: Daten aus Kliniken, die sich freiwillig an einem Überwachungssystem beteiligen, zeigen, dass dort inzwischen in den Notaufnahmen die Zahl derjenigen Patienten deutlich zurückgeht, die mit Hinweisen auf Ehec kommen. Seit der zweiten Maihälfte geht zudem die Zahl der Ehec-Fälle, die dem Berliner Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet werden, kontinuierlich zurück. Das Infektionsschutzgesetz macht es Laboren und behandelnden Ärzten zur Auflage, mikrobiologisch nachgewiesene Infektionen und HUS-Fälle unverzüglich an das zuständige örtliche Gesundheitsamt zu melden, das die Daten an das RKI als zentraler Behörde weiterleitet. Bis gestern waren insgesamt 3901 Ehec- oder HUS-Fälle übermittelt worden, darunter 47 verstorbene Ehec- oder HUS-Patienten.

Hat der Rückgang damit zu tun, dass die Bürger vorsichtiger geworden sind? Oder versiegt die Infektionsquelle allmählich? Wie lange die Gefahr noch anhalten wird, ist unklar. „Prognosen sind derzeit unmöglich“, sagt RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher. Infektionen von Mensch zu Mensch dürften auf jeden Fall eine entscheidende Rolle spielen.

Wie lange Menschen die Bakterien nach einer Infektion noch mit dem Stuhl ausscheiden, ist noch nicht bekannt. Um vernünftige Strategien zum Schutz vor dem neuartigen E. coli-Bakterium zu entwickeln, laufen derzeit an fünf Standorten in Deutschland Untersuchungen. Die Uniklinik in Münster, an der die Schüler aus dem Kreis Paderborn derzeit behandelt werden, ist mit dabei. Am dortigen Institut für Hygiene war der neue Ehec-Stamm kürzlich schon entschlüsselt worden.

Erfahrungen mit Erregern verwandter Stämme zeigen, dass es mehrere Wochen dauern kann, bis Infizierte keine Gefahr mehr für ihre Umgebung darstellen. Bei Kindern dauert das den bisherigen Erkenntnissen zufolge eher länger, bei schwerer Erkrankten kürzer. Wie bei fast allen Infektionskrankheiten geht eine besondere Gefahr für die Umwelt von Menschen aus, die sich angesteckt haben, aber selbst nicht erkrankt sind und deshalb weiter in engem Kontakt zu anderen stehen. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Gründliches Händewaschen vor jeder Küchenarbeit und nach jedem Gang auf die Toilette stellen den besten Schutz dar, den man anderen geben kann. Das gilt auch in den Sommerferien, die für die Berliner gerade begonnen haben.

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