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Panorama: Gegen die Zeit

In Pakistan hat sich die Zahl der Erdbebenopfer auf 73000 erhöht. Und sie kann immer noch weiter steigen

Berlin - In Pakistan tritt genau das ein, was Helfer befürchtet haben: Je weiter sich die Rettungsteams in die unwegsamen Bergtäler Kaschmirs vorarbeiten, umso dramatischer zeigen sich die Folgen des Bebens. Wo früher Straßen waren, türmt sich Schutt, Nachbeben bringen die Berghänge ins Rutschen, so dass manche Täler in der pakistanischen Erdbebenregion immer noch nur mit dem Maultier oder per Hubschrauber zu erreichen sind. Und wenn die Helfer in ein neues Dorf kommen, finden sie dort nicht nur weitere Verletzte, sondern auch neue Tote, sagt Lübbo Roewer vom Deutschen Roten Kreuz. Auch das erklärt, weshalb die Zahl der Opfer knapp vier Wochen nach dem Beben vom 8. Oktober noch steigt und von Pakistans Regierung seit Mittwoch offiziell mit mindestens 73000 angegeben wird.

Dies sind mit großer Sicherheit noch keine endgültigen Zahlen. Pakistanische Zeitungen berichten von mindestens 160000 Menschen in entlegenen Bergtälern, die noch kein Hilfskonvoi erreicht hat, das Welternährungsprogramm (WFP) spricht sogar von 200000 Menschen. Auch in den erschlossenen Gebieten liegen noch Tote unter den Trümmern – „man riecht sie“, sagt ein deutscher Journalist, der gerade aus Kaschmir zurückgekehrt ist. Doch wichtiger als deren Bergung ist jetzt Hilfe für die Überlebenden, damit der nahende Winter nicht noch mehr Opfer fordert. Denn in der Himalaya-Region liegt dann an einigen Orten die Temperatur nicht mehr nur um den Gefrierpunkt, sondern sogar zwanzig Grad darunter, sagt Helga Kuhn vom Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef.

Die Armee will deshalb die besonders schwer getroffenen Regionen evakuieren. Davon wären, wie pakistanische Medien berichten, bis zu 100000 Menschen betroffen. Allerdings hat sich schon bei anderen Naturkatastrophen gezeigt, dass Menschen in so einer Situation nur höchst ungern ihre Region verlassen. Aus Angst, nicht mehr zurückkehren zu dürfen, oder weil bei ihrer Rückkehr ein anderer sein Haus auf ihrem Grund gebaut haben kann. Doch um die Menschen vor Ort versorgen zu können, braucht es Hubschrauber, und deren Einsatz ist extrem teuer. Je nach Modell können es 120000 Euro am Tag sein. Das Welternährungsprogramm hat derzeit 17 Helikopter in Pakistan im Einsatz, eigentlich würde man gerne bis Mitte kommender Woche auf 22 Maschinen aufstocken, sagt eine WFP-Sprecherin. Doch um den Einsatz zu finanzieren, benötige man 17Millionen Dollar im Monat – bisher seien bei der Organisation aber nur zehn Millionen eingegangen. „Wenn sich das nicht ändert, müssen wir nächste Woche mit dem Fliegen aufhören“, sagt die Sprecherin.

Auch deshalb rufen Hilfsorganisationen und die UN in diesen Tagen immer dringlicher zu Spenden für die mehr als drei Millionen Obdachlosen und fast 70000 Verletzten auf. Beim Büro zur Koordination humanitärer Hilfe der Vereinten Nationen (Ocha) ist die Sprecherin ziemlich deutlich: Der UN-Hilfsaufruf für Pakistan in Höhe von 550 Millionen Dollar sei erst zu etwa einem Viertel gedeckt und das sei „überhaupt nicht zufrieden stellend“. Wenn nicht bald mehr Geld zur Verfügung stehe, dann müssten vermutlich eine Reihe von UN-Organisationen ihre Arbeit deutlich einschränken.

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