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Panorama: Geheime Kölner Karnevalsgesellschaft

Verfassungsschützer haben ein Video gedreht – mit Frohsinn als Protest gegen einen Umzug nach Berlin

Kürzlich hat Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm nun die Absicht Innenminister Schäubles verkündet, die BfV-Abteilung 6 – zuständig für Islamismus und islamistischen Terrorismus – bis spätestens 2009 von Köln-Chorweiler mit allen 250 Mitarbeitern nach Berlin umzusiedeln. Sie soll dort dem Terrorabwehrzentrum der Bundesregierung angeschlossen werden. Falls das ein Versuchsballon in Sachen Restumzug der Regierung war, hat er deutlich gezeigt, was man am Rhein von solchen Umzügen hält: Chorweiler ist in Aufruhr.

Bei diesem Aufruhr ist der beamtentypische Dienstweg mindestens einmal umgangen worden: Im Internet kursiert bei „Youtube“, dem weltweiten Forum der Amateurfilmer, ein Protestvideo aus anonymer Verfassungsschutzquelle, das vor allem eins deutlich macht: Es geht nicht um Berlin, es geht um den Karneval, genauer: die Tatsache, dass es ihn in Berlin nicht wirklich gibt. Das knapp dreiminütige Filmchen enthält kurze, vom rheinischen Karneval schwer gezeichnete Szenen, in denen die zentrale Parole auf Plakaten, auf Unterhosen und sogar unter dem Dach des Reichstags zu lesen ist: „BfV bleibt in Köln“. Funkenmariechen, Narren mit grellen Clownsgesichtern und Punks aus Chorweiler werden gegen den Plan ins Feld geführt, und häufig ins Bild blicken auch auch Initiator Schäuble und BND-Chef Hanning, der offenbar als Drahtzieher ausgemacht wurde.

http://www.youtube.com/v/I-_Lkkssv5A"> Dazu spielt Musik. Ein angestrengter Amateurtenor knödelt einen selbstgebastelten Text zur Melodie, die einer fast vergessenen Schlagermumie entlehnt wurde: „Ein Lied zieht hinaus in die Welt“, einst dargeboten von Jürgen Marcus. Diesmal zieht folgende Botschaft in die Welt: „Freunde, die Regierung will uns zwingen/Arbeit in der Hauptstadt zu erbringen“. Der Refrain ist einprägsam: „Chorweiler, wir bleiben dir treu, Berlin kann warten, Chorweiler, wir bleiben dir treu, wie wollen niiiiemals dort hin ...“ Und die Kernaussage, die die seltsamen Bilder erklärt, lautet: „Wir haben noch immer Freude und Spaß am Karneval.“ Seltsamerweise heißt es an einer anderen Stelle „Keiner schaut dem Schily in die Karten“ – das deutet auf schon länger zurückliegendes Produktionsdatum und die Möglichkeit hin, dass der Film mit scharfsichtiger Vorahnung gedreht und erst nach dem Ernstfall ins Netz gestellt wurde. Es kann aber auch ein berufstypisches Tarnmanöver sein. Es ist kaum anzunehmen, dass Schäuble sich von diesem kleinen Karfunkelstein rheinischer Volkskultur umstimmen lässt – er ist selbst nie als Fan karnevalistischer Umtriebe in Erscheinung getreten. Eher wirft die schlichte Strickart des kölschen Heimatlieds die Frage auf, ob man dort auch die Terroristenabwehr notfalls per Narhallamarsch zu erledigen gedenkt; zweifellos erweckt es den Eindruck, dass die Bundesrepublik zumindest während der Höhepunkte des karnevalistischen Treibens nur sehr bedingt abwehrbereit ist. Andererseits könnte genau diese Überlegung im Kalkül der anonymen Verfassungsschützer liegen. Einerseits scheint denkbar, dass islamistische Fanatiker sich versehentlich über ihre deutschen Gegner totlachen und damit sich selbst schweren Schaden zufügen. Andererseits könnte das Video in der Absicht gedreht worden sein, die deutschen Verfassungsschützer generell als leicht unterbelichtete Hilfspolizisten erscheinen zu lassen, die Schunkeln wichtiger nehmen als Schützen und Köln-Chorweiler höher schätzen als Berlin-Mitte. Es wäre eine klassische Finte wie aus dem Agentenhandbuch – eine Maskirowka wie aus dem Nachlass von Markus Wolf. Alles bleibt offen ...

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