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Ein Trojanisches Shirt im Vorher-Nachher-Vergleich.

© dpa

Update

Gera: Trojaner-T-Shirts auf Rechtsrockfestival

Besucher des NPD-Festivals "Rock für Deutschland" dürften in den vergangen Tagen ihr blaues Wunder erlebt haben. Kostenlose T-Shirts mit rechten Symbolen entpuppten sich als Trojaner mit versteckter Botschaft.

Mit Totenkopf, der Aufschrift „Hardcore Rebellen“ und den Fahnen rechtsextremer Gruppen muteten die T-Shits gewohnt kriegerisch an. Manch ein Rechtsextremer, der eines der T-Shirts auf dem Festivals „Rock für Deutschland“ am Samstag in Gera geschenkt bekam, dürfte sich beim Wäscheaufhängen gewundert haben. Denn das Totenkopf-Logo war verblichen – stattdessen stand da: „Was Dein T-Shirt kann, kannst Du auch – Wir helfen Dir, Dich vom Rechtsextremismus zu lösen“, dazu die Kontaktdaten der Aussteigerinitiative Exit.

Im Vorfeld des Rechtsrockfestivals, in der Szene als „RfD“ bekannt, hatte die Aussteigerinitiative Kontakt zu den Veranstaltern des Festivals aufgenommen – unter erfundenen Personalien. Denn Organisator ist die NPD Thüringen. Exit bot der NPD die T-Shirts als anonyme Spende an. Nichts ahnend verteilten die Veranstalter rund 250 T-Shirts an die Festivalbesucher.

In der rechtsextremen Szene kursierten 24 Stunden später SMS mit der Warnung: „Achtung Fälschung! Gestern wurden auf dem RfD T-Shirts verschenkt, die unter dem Aufdruck 'Hardcore Rebellen' eine Botschaft von 'Exit', dem staatlichen Aussteigerprogramm haben. Diese Botschaft wird erst nach dem Waschen sichtbar. 'Exit' hat hier mehrere tausend Euro Steuergeld verschwendet.“

Der Exit-Gründer und ehemalige Kriminalpolizist Bernd Wagner wertete die Aktion als Erfolg. „Mit den T-Shirts wollten wir unser Angebot in der Szene bekannter machen und vor allem die jungen und noch nicht so gefestigten Rechtsextremen ansprechen.“ Auf das Angebot zur Ausstiegshilfe habe sich bisher noch keiner der Festivalbesucher gemeldet, sagte Wagner dem Tagesspiegel. „Einen direkten Boom haben wir von der Aktion auch nicht erwartet.“ Vielmehr gehe es Exit darum, ein Signal zu setzen. „Die Leute sollen merken, dass wir in der Szene präsent sind. Dass eine Möglichkeit besteht, aus diesem Umfeld auszusteigen.“

Seit Bekanntwerden der Aktion sei die Besucherzahl auf Facebook rapide gestiegen, berichtete Wagner. Sympathisanten hätten in E-Mails ihre Glückwünsche für die Aktion bekundet. Befürchtet wird aber auch, dass nun eine Art Wettrüsten zwischen Rechtsextremisten und Exit einsetzen könnte. Politiker hätten sich bisher nicht zu der Aktion geäußert, so der Exit-Gründer.

Seite 2: „Die meisten rechten Organisationen schweigen“

„Die meisten rechten Organisationen schweigen“. Im Moment fehlten ihnen die Worte, so Wagner. „Natürlich kamen da auch Wut und Hass.“ Manche aus der rechtsextremen Szene amüsiert die Aktion hingegen. „Sie sind vor allem überrascht. Sie ärgern sich natürlich und meinen, eine solche Idee hätte von ihnen selbst kommen müssen“, sagte Wagner.

„Auf uns ist jemand zugekommen, der wusste, dass so etwas technisch möglich ist“, sagte der Exit-Gründer zum Ursprung der Idee. Die Person sei selbst gegen Rechtsextremismus aktiv und wolle ungenannt bleiben.

Seit Jahren werben rechtsextreme Organisationen junge Leute mit neuen Mitteln an. Sie nutzen Facebook, kommunizieren mit neuen Symbolen und verzichten bewusst „auf das Propaganda-Gebräu der Altnazis“, sagte der ehemalige Polizist Wagner. „Auch Rechte bedienen sich den Mittel der Infoguerilla.“ Die Nazis kämpften im Grunde mit den gleichen Mitteln wie Exit, im Unterschied zu der Aussteigerinitiative allerdings ohne auf Gewalt zu verzichten.

Neue Ideen sammele die Initiative seit 2008 in einem Aktionsbündnis, so Wagner. Ehemals Rechtsradikale, die aus der Szene ausgestiegen sind, überlegen zusammen, wie sie ihre früheren Kameraden am besten ansprechen. So hat die Gruppe zum Beispiel Postkarten entworfen.

Exit-Deutschland gibt es bereits seit elf Jahren. Die Initiative ins Leben gerufen hatte neben Bernd Wagner auch der ehemalige Berliner Neonazi Ingo Hasselbach. Über 400 ehemaligen Rechtsextremen habe die Initiative seitdem dabei geholfen, aus der Szene auszusteigen, so Wagner.

Mit Aktionen wie dem Trojanischen Shirt versucht die Initiative, die Rechtsradikalen noch direkter anzusprechen. „Natürlich kritisieren wir. Es muss eine Auseinandersetzung über rechtes Gedankengut und Handeln geben.“ Abstrafen und ausschließen wolle man die Leute aus der Szene aber nicht.„Kriegerische Interventionen haben ein negatives Vorzeichen. Sie führen nur zu noch heftigeren Gegenreaktionen“, sagte Wagner. Exklusion sei nur punktuell sinnvoll, dann „wenn Gewalt im Spiel ist und Straftaten verhindert werden müssen.“ Um die Leute anzusprechen, suche man die richtige Kombination aus dem nötigen weltanschaulichen Ernst und aus Witz, wie bei der jetzigen Aktion.

Zu dem NPD-Konzert, das zum neunten Mal in Gera veranstaltet wurde, waren rund 600Rechtsextreme gekommen. (mit dpa/AFP)

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