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Gerichtsreportage: Höchststrafe für Josef F.

Mord, Sklaverei, fortgesetzte Vergewaltigung – jetzt soll Josef F. bis zum Tod hinter Gittern bleiben.

„Ich bereue aus ganzem Herzen, was ich meiner Familie angetan habe“, sagt Josef F. mit heiserer Stimme. „Ich kann es leider nicht mehr gut machen. Ich kann nur schauen, den Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen.“ Dann steht er langsam auf und geht die wenigen Schritte zurück zur Anklagebank.

Das sind die Schlussworte des Angeklagten, gerichtet an die acht Geschworenen, die über seine Schuld oder Unschuld entscheiden müssen. Man hat ihn fast nicht gehört, so leise hat er gesprochen. Er hat, so scheint es, resigniert und den Kampf aufgegeben. Den Kampf, vielleicht doch noch mit einer milderen Strafe als Lebenslang diesen Schwurgerichtssaal verlassen zu können.

Noch kurz zuvor hat sein Verteidiger Rudolf Mayer an den zweiten Verhandlungstag erinnert, an jenen Tag, als die Laienrichter viele Stunden lang eine Videoaufzeichnung vom Hauptopfer sehen mussten. Es erzählte über die nicht vorstellbaren 24 Jahre, die es in dem Verlies verbringen musste und dort sieben Kindern das Leben schenkte. Im Zuschauerraum hatte diese Frau unbemerkt Platz genommen und sich selbst ihre eigene Videoaufnahme angeschaut. „Josef F. hat erst in der letzten Stunde an diesem Tag bemerkt, dass sein Opfer im Verhandlungssaal war. Ab diesem Moment war er völlig fertig“, berichtet der Verteidiger. Was für ein Triumph für diese Frau, ihren Peiniger in dieser Situation erleben zu können. „Josef F. kommt doch nie wieder raus,“ fährt der Verteidiger fort, „nicht einmal wenn er 120 ist und weder gehen noch denken kann“, nimmt Mayer eine hohe Strafe für Josef F. vorweg.

Eva Plaz, die Rechtsanwältin des Opfers, hat auch das Wort ergriffen, obwohl sie das ursprünglich nicht geplant hatte. „Meine Mandantin hat ausgesagt und damals wie heute gilt: Sie hat es getan, weil sie das ihrem toten Kind schuldet. Dieser Mann“, zeigt sie auf Josef F. „muss für diesen Tod bezahlen! Mit ärztlicher Hilfe hätte dieses Kind überlebt, so aber musste es qualvoll im Keller sterben. Er hat sich als Herr über Leben und Tod aufgespielt, glauben Sie ihm kein Wort, sondern ziehen sie ihn zur Verantwortung“, appelliert sie eindringlich an die Laienrichter.

An die Wahrheit, „an diese eine Wahrheit“ erinnert Staatsanwältin Christiane Burkheiser. Sie erinnert auch an diesen „sklavereiähnlichen Zustand“, in den der Angeklagte sein Hauptopfer gebracht hatte, an die „tausendfache Vergewaltigung“ und sie erinnert daran, dass er diese Frau wie einen Besitz behandelt hätte. Das wichtigste aber: „Das Verbrechen des Mordes. Er hat die Lebensgefahr, in der das Baby schwebte, erkannt und nicht geholfen. Wie’s kommt, so kommt’s, hat Josef F. gesagt und dieses Kind 66 Stunden lang mit dem Tod ringen lassen. Dafür gebührt dem Angeklagten die Höchststrafe“, sagt Burkheiser, „und das ist lebenslange Haft.“

Zehn Hauptfragen müssen die Geschworenen beantworten, schon nach drei Stunden steht der Wahrspruch fest: Einstimmig wird Josef F. in allen Punkten der Anklage (Mord durch Unterlassung, Sklavenhandel, Freiheitsentziehung, Vergewaltigung, Blutschande und Nötigung) schuldig gesprochen. Das Strafausmaß verkündet Richterin Andrea Humer: lebenslange Freiheitsstrafe. Josef F. nimmt dieses Urteil scheinbar ohne Regung zur Kenntnis. Noch bevor ihn die Richterin auf seine rechtlichen Möglichkeiten aufmerksam macht, sagt er nach einem kurzen Blick zu seinem Verteidiger: „Ich nehme das Urteil an.“ Die Staatsanwältin verzichtet klarerweise auf ein Rechtsmittel, somit ist die lebenslange Freiheitsstrafe rechtskräftig.

Josef F. wird sofort zurück in seine Zelle gebracht. In den nächsten Tagen wird entschieden, in welcher Anstalt der 73-Jährige seine Strafe verbüßen wird. Bis eine so genannte vorläufige Strafvollzugsanordnung vorliegt, bleibt Josef F. noch in der Strafvollzugsanstalt St. Pölten, wo es eine spezielle Suizidprävention gibt. Danach wird er in eine geeignete Justizanstalt verlegt. Denkbar ist die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher – der Rechtsstaat will versuchen, Josef F. zu therapieren, auch wenn der bis zu seinem Tod hinter Gittern bleibt.

Doris Piringer[St. Pölten]

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