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Panorama: Gespart wird nichts – aber die Abende sind länger

Am Sonntag beginnt die Sommerzeit zum 25. Mal

Berlin/Hamburg (avi/dpa). Es ist soweit: Am Sonntag werden die Langschläfer gepeinigt. Denn um zwei Uhr früh springt die Uhr auf drei Uhr um und stiehlt den Menschen eine Stunde Schlaf – die Sommerzeit beginnt. Bereits zum 25. Mal wiederholt sich dieses Ritual in Deutschland, obwohl längst klar ist, dass der ursprünglich erhoffte Effekt, durch bessere Ausnutzung des Tageslichts Energie zu sparen, ausgeblieben ist. Hauptgrund für die Zeitumstellung sind heute die Macht der Gewohnheit und die langen hellen Sommerabende.

Die Einführung der Sommerzeit 1980 regelte das „Zeitgesetz“ von 1978. Der Name des Gesetzes atmet den Geist einer Epoche, in der Digitaluhren Hightech waren und der Mensch noch ziemlich überzeugt davon war, die Natur mittels Wissenschaft und Technik nach seinen Zwecken zurechtbiegen zu können. Wenn das Öl knapp wird, bauen wir mehr Atomkraftwerke. Wenn die Verteilung des Tageslichts nicht den Bedürfnissen der Industriegesellschaft entspricht, ändern wir eben den Ablauf des Tages.

Doch die Erwartung, durch das Drehen am Wecker Energie einzusparen, hat sich in den vergangenen 25 Jahren ebenso verflüchtigt, wie der Glaube an eine baldige Besiedlung des Mondes. Denn was Haushalte und Unternehmen Abends an Licht sparen, verbrauchen sie in kalten Morgenstunden im Frühling und Herbst zum Heizen. Zudem ist der Anteil von Licht am Energieverbrauch mittlerweile deutlich geringer.

Dagegen beeinträchtigt der gesetzlich verordnete Jetlag den menschlichen Organismus. Das ist nicht nur das subjektive Empfinden larmoyanter Langschläfer, sondern wird mittlerweile von Wissenschaftlern bestätigt. Zwar gehe nur eine Stunde verloren, sagt der Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums der Universität Regensburg, Jürgen Zulley. Anders als beim Reise-Jetlag verändere sich aber die Umwelt nicht mit. Der inneren Uhr fehlten wichtige Signale für die Umstellung. Besonders problematisch sei dies in den ersten zwei Tagen. Da passieren nach Ansicht Zulleys mehr Autounfälle als sonst. Der Körper sei einfach noch nicht auf wach gestellt.

Ziege und Kuh bereitet das Frühaufstehen offenbar weniger Stress als ausgehfreudigen Großstädtern. Die Landwirtschaft hat sich nach anfänglichem Widerstand mit der Sommerzeit angefreundet. Die Befürchtung, die Zeitumstellung könne die Milchproduktion beeinträchtigen, bestätigte sich nicht. Zwar könne der Melkrhythmus gestört werden, sagt Anni Neu vom Deutschen Bauernverband. „Die Tiere haben eine Stunde weniger Zeit, Milch zu produzieren.“ Doch sie weiß, wie die listigen Milchbauern das Problem gelöst haben: Sie verteilen die Zeitverschiebung auf mehrere Tage und passen so die Melkzeiten an. Ein humanes Vorgehen, das sich viele Spätaufsteher auch vom Arbeitgeber wünschen würden.

Die technische Herausforderung der Zeitumstellung haben die Menschen längst im Griff. So muss etwa die Deutsche Bahn rund 120000 Uhren in Bahnhöfen, Diensträumen und Automaten umstellen. Wie alle Funkuhren werden sie automatisch umgestellt, sobald die Physikalisch Technische Bundesanstalt in Braunschweig das Sommerzeit-Signal aussendet. Auch den Fahrplan kann sie meist einhalten, obwohl die Züge eine Stunde Verspätung aufholen müssen.

Erst seit 1996 stellen alle EU-Mitgliedstaaten die Uhren zum gleichen Zeitpunkt am letzten Sonntag im März eine Stunde vor und am letzten Oktobersonntag wieder zurück. Harmonisierung sei das schlagende Argument für die Angleichung gewesen, sagt der Sprecher der EU-Kommission für Verkehr und Energie, Gilles Gantelet. Bei Zügen zwischen Frankreich und Deutschland etwa müssten die Fahrpläne nun nicht ständig neu aufeinander abgestimmt werden. Dank Harmonisierung schwächt die EU also die Konsequenzen eines Problems ab, dass wir ohne die Zeitumstellung gar nicht hätten.

Eines spricht aber für die Umstellung: Die Sommerabende sind länger hell. Wir können uns länger auf ausgeblichenen Hollywoodschaukeln in den Sonnenuntergang wiegen. Das wollen sich selbst Langschläfer nicht nehmen lassen. Aus ihrer Sicht wäre sowieso die ideale Lösung: Die Sommerzeit gilt einfach das ganze Jahr. Und damit es an Wintermorgen nicht so lange dunkel ist, öffnen Schulen, Geschäfte und Büros einfach ein Stündchen später. Foto: imago

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