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Panorama: Gestrandet auf Mallorca

Zehn Obdachlose aus Deutschland sind tot.

Palma de Mallorca - Sie kamen als Auswanderer und Aussteiger. Mit der Illusion im Gepäck, unter Mallorcas Sonne einen Job zu finden und ein neues Leben anzufangen. Doch nicht alle schafften das. Etliche Deutsche sind im berühmten spanischen Urlaubsparadies gestrandet und abgerutscht. Sie leben heute auf der Straße, schlafen auf der Parkbank oder sogar in Felslöchern.

Spaniens Wirtschaftskrise trägt dazu bei, dass die Zahl der Wohnungslosen auf der Mittelmeerinsel wächst – die Armenküchen füllen sich. Seit Jahresbeginn starben bereits zehn deutsche Obdachlose auf Mallorca. Für sie endete der Aufenthalt auf der Trauminsel im Mittelmeer mit einem Armenbegräbnis auf der Insel.

So wie für den 56-jährigen Karl Uwe K., der in einem Abwasserrohr in der Nähe des bekannten Touristenortes Soller im Nordwesten Mallorcas hauste. Zwischen Abfall, Sperrmüll und Kartons. „Charly“ nannten die Bewohner des Viertels den deutschen Heimatlosen, der auf der Straße selbstgemalte Bilder verkaufte. Manchmal saß er mit seinem Hund „Señor Roberto“ vor einem nahen Supermarkt, wo ihm die Leute Essen oder eine Münze zusteckten. Zuletzt war er krank und schwach auf den Beinen. Konnte sich offenbar nicht mehr wehren, als ihn in seiner Elendsbehausung Ratten attackierten. Irgendwann wurde er bewusstlos gefunden. Der ganze Körper war mit Bissen übersät. „Er lag auf dem Boden und befand sich in furchtbarem Zustand“, erinnert sich ein Anwohner, der mit einer Taschenlampe in das Abwasserloch gestiegen war, nachdem „Charly“ tagelang nicht mehr gesehen worden war. Doch die Hilfe kam zu spät. Wenig später starb der Obdachlose in einem Krankenhaus.

Schon vor Monaten hatten Sozialarbeiter der Gemeinde Soller versucht, dem verwahrlosten Mann zu helfen, der seit gut einem Jahr in der großen Abwasserröhre unter der Hauptstraße lebte. Sie wollten ihm eine Unterkunft besorgen. Doch er weigerte sich, sein Vagabundenleben aufzugeben. „Er wollte nichts von uns wissen. Wir konnten nichts für ihn tun“, berichtet Antoni Arbona, der im Rathaus für Sozialfälle zuständig ist.

Der Horrortod des deutschen Landstreichers schockte die Insel und erinnerte daran, dass hier hunderte europäische Auswanderer scheitern und sich auf der Straße durchschlagen. Manche haben sich in der Umgebung des Flughafens von Palma eingerichtet, leben von Spenden sowie Abfällen der Reisenden. Helfer schätzen, dass auf der Insel etwa 100 deutsche Vagabunden leben, davon vielleicht 50 in Palma. Doch genaue Zahlen gibt es nicht. Man weiß nur, dass es immer mehr Gestrauchelte gibt. Das Rote Kreuz, das sich in Palma (400 000 Einwohner) um die Wohnungslosen kümmert, zählte im Jahr 2012 etwa 900 Obdachlose – so viele wie noch nie. Knapp die Hälfte sind Ausländer.

Die meisten Vagabunden scheinen vorzuziehen, in armseligen Umständen auf der Mittelmeerinsel im Süden Europas zu hausen, statt in die raue Wirklichkeit im Norden zurückzukehren. Ralph Schulze

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