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Gesundheit: 100 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 Tonnen Staub

Viele Sterne in unserer Milchstraße lösen sich am Ende ihres Lebens weitgehend in feines Pulver auf – Astrophysiker der TU Berlin haben herausgefunden, wo und wie die Partikel entstehen

Von Thomas de Padova

Erst spät erblickte der Staub das Licht der Welt. Im erwachenden Universum war nicht ein einziges Staubkorn zu finden. Und dabei blieb es, bis die erste Generation von Sternen ihr Leben aushauchte. Bei ihrem Todeskampf versprühten diese Sterne ein feines Pulver ins All. Heute ist unsere Milchstraße voll davon. Es gibt allein in unserer Galaxis 100 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 Tonnen Staub. So viel, dass sich die Erdkugel damit Billionen Mal füllen ließe.

Woher kommt all der Staub? Auf diese Frage gibt Erwin Sedlmeyer, Vorsitzender der Astronomischen Gesellschaft und Leiter des Zentrums für Astronomie und Astrophysik der Technischen Universität Berlin, eine klare Antwort: „Riesensterne sind die Haupt-Staubproduzenten im All.“ In den Atmosphären solcher Sterne seien die Bedingungen für die Entstehung von Staubkörnchen ideal. Es ist darin kalt und auch dicht genug, dass jeweils eine Milliarde Moleküle zusammenfinden können, um ein winziges Staubteilchen zu bilden.

Auch unsere Sonne schickt sich an, sich in einen Riesen zu verwandeln. Sie wird ihre Energieproduktion weiter ankurbeln und in einigen Milliarden Jahren ein paar Hundert Mal größer sein als heute. Mit der Ausdehnung der Sonne wird auch die Temperatur in ihrer Atmosphäre langsam sinken. Dann wird die Sonne rötlich schimmern und – wie jeder Riesenstern – anfangen, Staub ins All hinaus zu blasen.

Staubkeime können sich erst unterhalb von etwa 1500 Grad Celsius bilden. In noch größerer Hitze löst sich jedes Staubkorn auf. „Es müssen außerdem geeignete Moleküle in der Sternatmosphäre vorhanden sein“, sagt Erwin Sedlmayer, der die Bildung und die Chemie des Staubes in den vergangenen Jahren zusammen mit seinen Mitarbeitern erforscht hat. „Wir meinen, dass der erste Festkörper, der erste Staubkeim, der in Riesensternen entsteht, aus Titan-Oxid aufgebaut ist.“

Die besonders hitzebeständigen Titan-Sauerstoff-Verbindungen reihen sich zu langen Ketten aneinander. An diese Ketten können sich andere Moleküle leicht anlagern. Und wenn erst einmal eine kleine Oberfläche vorhanden ist, geht das weitere Wachstum möglicherweise schnell vor sich.

„So wie sich Reif auf einem Gartenzaun niederschlägt, legen sich neue Moleküle auf den Staubkeim“, sagt Sedlmayr. Je nach der Zusammensetzung der Umgebung umhüllen Silikate oder Kohlenstoffverbindungen den festen Kern. Das Staubkorn erhält einen kristallenen Mantel.

Astronomen haben solche ummantelten Staubteilchen in den Atmosphären der Riesensterne identifiziert. Der Staub sieht keineswegs überall gleich aus. In den Hüllen besonders kohlenstoffreicher Riesensterne haben die Wissenschaftler vor allem Graphitpartikel oder diamantartige Körnchen entdeckt. In den Rauchfahnen anderer Sterne wimmelt es dagegen von Eisen-Magnesium-Stäuben wie Olivin oder Pyroxen.

Am Ende ihres Lebens blasen die Riesensterne die Staubpartikel in den interstellaren Raum hinaus. Der Staub sammelt sich in kalten Wolken. In diesen Wolken vereisen die Staubkörnchen zunehmend. Wasserstoff und komplexe organische Moleküle frieren auf den Staubteilchen fest.

Die mit Gas und Staub angefüllten interstellaren Wolken sind die Geburtsstätten der nächsten Sternengeneration. Sie beginnen irgendwann, unter ihrem eigenen Gewicht in sich zusammenzufallen. Das Gas verdichtet sich in turbulenten Prozessen zu Sternen.

Der Staub dagegen verklumpt zu Asteroiden und Kometen. Diese kleinen Himmelskörper kollidieren und verschmelzen miteinander. Bei derartigen Zusammenstößen entstanden vor 4,5 Milliarden Jahren unsere Erde und ihre Nachbarplaneten.

Manchmal aber bilden sich beim Kollaps einer interstellaren Wolke weder Sterne noch Planeten, sondern seltsame Zwischenwesen: die Braunen Zwerge. Im Gegensatz zu Sternen kommt es in ihrem Innern allenfalls kurzzeitig zur Kernfusion. Dann erlischt ihr Feuer.

„Wir wissen heute, dass es viele Braune Zwerge gibt“, sagt Christiane Helling, Astrophysikerin an der TU-Berlin. Auch die Zwerge produzierten Staub in ihren kühlen Atmosphären. Dieser Staub gelangt allerdings nicht wieder ins Weltall zurück, wie die Berliner Forscherin in Modellrechnungen herausgefunden hat. Er fällt auf die Oberfläche des Braunen Zwerges zurück.

Braune Zwerge gehören damit zu den Endstationen im kosmischen Materiekreislauf. Es gibt noch mehr solche Überreste im All, die möglicherweise nie mehr recycelt werden und schlicht auskühlen. Für die nächsten Jahrmilliarden bleibt jedoch genügend Staub im Umlauf, um die Sternentstehung weiter voranzutreiben.

Wo er sich zusammenballen wird, ist auf Grund der turbulenten Strömungen schwer vorherzusehen. Es gibt sehr dichte Regionen wie den Orion-Nebel, wo in den vergangenen Jahrmillionen Tausende neue Sterne geboren sind. Ansonsten ist der Staub in den Galaxien fein verteilt. Eine interstellare Kehrmaschine würde bei ihrem Flug durch unsere Milchstraße nur etwa alle 100 Meter ein einziges Staubkorn einsammeln können.

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