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Gesundheit: 50-Jahres-Plan erfüllt

Die „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“ überlebte die Wende

„In Rotkäppchen Sekt können wir heute nicht baden“, verkündete der Herausgeber Wolfgang Benz den gut hundert Gästen beim Empfang zum 50. Geburtstag der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“ (ZfG). Es mangelt halt am Geld. Aber auch ohne „Einheitsbrause“ fand man im Souterrain des Martin Gropius Bau zu jener Mischung aus Humor, Eigensinn und Zuversicht, die sich aneignet, wer auferstanden ist aus schwersten Existenzkrisen. Denn wer hätte gedacht, dass die ZfG den Geschichtsbruch von 1989 überhaupt überleben würde.

„Dieses Jubiläum ist eine Merkwürdigkeit, die ich vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten hätte“, konstatierte der Festredner, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Heute, da die ZfG sich einen festen Platz in der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft erkämpft hat, kann Thierse freimütig bekennen, dass er abgeraten hätte, an der Zeitschrift festzuhalten. Schließlich hatte die ZfG als Zentralorgan der DDR-Historiker die SED-Herrschaft legitimiert.

In der Tat war die ZfG vor der Wende ein parteigesteuertes Unternehmen. Das macht der Rückblick von Fritz Klein deutlich, der bei der Gründung 1952 Redaktionssekretär war und heute zu den Herausgebern gehört. Die Zeitschrift wurde auf einen ZK-Beschluss hin gegründet. Als im April 1953 das erste Heft erschien, war Stalin gerade gestorben. In die Auflage musste ein vierseitiger Nachruf der SED mit Stalin-Bild eingelegt werden. Ein schlechtes Omen für die Gründungsherausgeber der ZfG. Die waren durch einen Antifaschismus motiviert, „den nicht die SED verordnet hatte, sondern die Geschichte selbst“, so Klein.

Die zarten Hoffnungen, die man sich in der „Tauwetter“-Periode auf eine Zusammenarbeit mit der westdeutschen Historischen Zeitschrift machte, wurden schnell enttäuscht. Nach dem sowjetischen Einmarsch in Ungarn und dem Schlag gegen Harich und die Plattform-Gruppe zog die SED die ideologischen Zügel scharf an: Der ZfG wurde im Mai 1957 ein neues Redaktionskollegium verordnet. Erstmals saß nun ein hauptamtlicher ZK-Funktionär mit am Tisch. Überhaupt die Schar der Hobby-Historiker im ZK: Walter Ulbricht veröffentlichte einen 82-seitigen Beitrag über die historische Bedeutung des jüngsten Fünfjahresplans; und Erich Honecker outete sich im Lutherjahr als Kirchenhistoriker.

Dass die ZfG nach der Wende nicht einfach abgewickelt wurde, verdankt sie letztlich dem Verleger Friedrich Veitl, der sie mitsamt ihren personellen Altlasten unter die Fittiche des Metropol-Verlages nahm. Der Neustart wurde von einem Herausgeber-Gremium unternommen, das mit Wolfgang Benz, Georg G. Iggers, Fritz Klein, Ernst Schubert, Peter Steinbach und Ludmila Thomas Historiker östlicher und westlicher Provenienz versammelte.

Programmatisch sollte sich die ZfG als Ost-West-Forum profilieren: bevorzugter Publikationsplatz für ostdeutsche Historiker einerseits, aber offen für Beiträge aus allen Richtungen. Das Konzept scheint aufzugehen, wie die Grußworte aus der Zunft zeigen: „Lebendig und offen“, „nicht angestaubt“ und eine „Brücke zu einer pluralen Geschichtswissenschaft“ sei die ZfG. Das alles klingt, als sei hier nicht, wie so oft, eine eingeführte Ost-Marke in westliche Regie übernommen worden, sondern tatsächlich ein gutes Stück deutsche Einheit gelungen.

Die Zeitschrift im Internet:

www.kgw.tu-berlin.de/zfg/

Gerwin Klinger

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