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Gesundheit: Abstand halten

Wie viel Zeit zwischen dem ersten und zweiten Kind verstreichen sollte: Eine Studie gibt Antwort

Viele Paare, die sich mehrere Kinder wünschen, überlegen, in welchem Abstand der Nachwuchs am besten zur Welt kommen sollte. Wie viel geballten Kleinkind-Stress kann man privat und beruflich verkraften, wie viel geschwisterliche Nähe, wie viel individuelle Beachtung wünscht man den Kindern?

Dass es sinnvoll ist, in der Frage des Geburtenabstands neben psychologischen auch medizinische Kriterien zu berücksichtigen, zeigt nun eine Analyse von 67 Studien aus aller Welt, in die die Daten von über elf Millionen Schwangerschaften eingingen und die jetzt im amerikanischen Fachblatt „Jama“ (Band 295, Seite 1809) veröffentlicht wurde.

Das Team um Agustin Conde-Agudelo von der kolumbianischen „Fundación Santa Fe de Bogotá“ fand heraus, dass die gesundheitlichen Risiken für das jüngere Geschwisterchen steigen können, wenn zwischen der Geburt eines Kindes und der Zeugung des nächsten weniger als 18 und mehr als 59 Monate liegen.

Die Forscher berücksichtigten dabei bewusst den Abstand zwischen Geburt des älteren und Zeugung des jüngeren Kindes und nicht den zwischen den zwei Geburten. Der fällt nämlich besonders klein aus, wenn die zweite von ihnen eine Frühgeburt ist.

Das genau ist eine der Gefahren bei zu geringem oder zu großem Abstand: Wird eine Frau bereits wieder sechs Monate nach der letzten Entbindung schwanger, dann ist das Frühgeburts-Risiko um 40 Prozent erhöht. Die Gefahr, dass das jüngere Kind bei der Geburt deutlich zu wenig wiegt, steigt sogar um 60 Prozent. Beides erhöht das Risiko, dass das Neugeborene nicht überlebt. Bei einem Abstand von über 59 Monaten steigt die Gefahr für zu frühe Geburt und zu geringes Gewicht um 20 bis 43 Prozent. Als Vergleich zogen die Forscher einen Abstand zwischen 18 und 23 Monaten heran, der sich als besonders günstig erwies.

Über die Gründe für diese Unterschiede können die Forscher lediglich spekulieren. Sie hatten nur Frauen einbezogen, die nach Alter und sozialem Status vergleichbar waren. In einem Kommentar weist Rachel Royce auf mögliche Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen hin: So ist die Wahrscheinlichkeit, schnell wieder schwanger zu werden, deutlich größer, wenn die junge Mutter ihr Baby nicht stillt. Zudem sind sehr kurze Abstände zwischen den Geburten meist unbeabsichtigt.

Möglicherweise tendieren aber Frauen, die nicht stillen und eine weniger gewissenhafte Familienplanung betreiben, auch dazu, während einer erneuten Schwangerschaft weniger auf ihre Gesundheit zu achten – im statistischen Durchschnitt, versteht sich.

Bei einem geringen Abstand liegt medizinisch aber vor allem die Erklärung nahe, dass die Mutter sich von der früheren Schwangerschaft noch nicht vollständig erholt haben könnte. So könnten etwa die Folsäure-Depots noch nicht wieder aufgefüllt sein. Tatsächlich fand sich bei Neugeborenen, die weniger als sechs Monate nach der Geburt ihrer älteren Geschwister gezeugt worden waren, in einigen der Studien gehäuft ein „offener Rücken“. Eine der wichtigsten Ursachen für diesen Defekt ist Folsäuremangel.

Warum große Abstände zwischen den Schwangerschaften ungünstig sind, ist schwerer zu erklären. Allerdings könnten hier Fruchtbarkeits-, Gesundheits- und Partnerschaftsprobleme vorgelegen haben, die sich dann auch ungünstig auf die lang ersehnte nächste Schwangerschaft auswirkten.

Die Autoren schätzen, dass etwa zwölf Prozent der insgesamt seltenen kindlichen Todesfälle zu verhindern wären, wenn der Abstand zwischen Geburt und nächster Schwangerschaft ein bis fünf Jahre betrüge. „Ärzte sollten allen Frauen raten, zwischen den Schwangerschaften einen Abstand von mindestens zwölf Monaten einzuhalten.“ Außerdem müsse geprüft werden, ob nach der Entbindung sicherheitshalber die Einnahme von Folsäure zu empfehlen sei.

Adelheid Müller-Lissner

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