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Gesundheit: Advent

Von Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Universität

Man kann sie eigentlich in diesen Tagen nicht übersehen – die Weihnachtsbäume. Große, stattliche Tannen auf den Plätzen unserer Stadt und vor den großen öffentlichen Gebäuden, kleine, gelegentlich etwas mickrige Exemplare in den Eingangshallen diverser Behörden und Wissenschaftseinrichtungen. Aber es gibt auch Ausnahmen. In der sachlich-kühlen Eingangshalle des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in der Hannoverschen Straße in Mitte steht kein kleiner mickriger Weihnachtsbaum mit etwas schief montierten elektrischen Kerzen. Vielmehr hängt ein stattlicher Adventskranz von der Decke, gehalten von großen weißen Bändern mit Schleifen. Im Bundesministerium weiß man offensichtlich noch, dass wir gegenwärtig gar nicht in der Weihnachtszeit leben, sondern in der Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten, im Advent. Zeit, den Weihnachtsbaum aufzustellen, ist erst am Abend des Weihnachtsfestes, also am 24.12.

Advent ist eigentlich eine Vorbereitungszeit auf das hohe Fest, der Fasten- oder Passionszeit vor Ostern vergleichbar, die beginnt, wenn das fröhliche Karnevalstreiben urplötzlich zum Aschermittwoch endet. Als die christlichen Gemeinden in der Spätantike erstmals einen solchen Advent feierten, setzten sie einen kräftigen politischen Akzent. Adventus (deutsch: Ankunft), wurde nämlich ganz anders gefeiert: Der Ausdruck bezeichnete den feierlichen Einzug des römischen Kaisers in die Hauptstadt Rom und in jede andere Stadt seines Reiches, „wie ein Gott“ und als „neuen Erlöser“, wie es in zeitgenössischen Quellen heißt. Weihrauchduft erfüllte die Luft, der Herrscher ritt im prächtigen Kleide auf einem Blumenteppich und die Magistrate warfen sich vor ihm auf den Boden: felix adventus Augusti nostri, ein großer Festtag im Leben einer antiken Stadt. Ganz anders die Christen: Adventus bezeichnet bei ihnen nicht einen einzigen großen Festtag, sondern Wochen der ernsten Vorbereitung, der Besinnung auf die Wiederkunft Christi und das jüngste Gericht.

Dass vielen Menschen in der hektischen Vorweihnachtszeit unserer Tage ein wenig von dieser klassischen ruhigen Adventszeit gut täte, liegt auf der Hand. Aber mit allgemeinen Mahnreden an die, die schwer bepackt durch die Kaufhäuser hetzen müssen, ist auch nicht viel gewonnen. Man sollte besser dem Vorbild des Bundesministeriums folgen und anstatt einen mickrigen Weihnachtsbaum aufzustellen einen prächtigen Adventskranz aufhängen. Mindestens in der Eingangshalle der Humboldt-Universität wird das nächstes Jahr jedenfalls so gemacht.

Der Autor ist Kirchenhistoriker und schreibt an dieser Stelle jeden zweiten Montag über Werte, Wörter und was uns wichtig sein sollte.

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