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Kassen und Ärzte streiten seit Wochen über die Höhe der Honorare für das komme Jahr.

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Update

Aktionstag für Mittwoch angekündigt: Ärzte streiken trotz Einigung im Honorarstreit

Nach einem achtstündigen Verhandlungsmarathon steht fest: Die Honorare für die rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten steigen im kommenden Jahr um 1,15 bis 1,27 Milliarden Euro. Aber die Protestwelle der Praxisärzte ist zu diesem Zeitpunkt bereits angerollt.

Von Sabine Beikler

Der Streit um die Ärztehonorare ist beigelegt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) verständigten sich nach einer mehrstündigen Gesprächsrunde am späten Montagabend auf eine Kompromisslösung. Demnach gibt es eine „Kompromissspanne zwischen 1,15 Milliarden und 1,27 Milliarden Euro“, sagten die stellvertretende GKV-Pressesprecherin Ann Marini und KBV-Sprecher Roland Stahl.

Die Leistungen für die Psychotherapie seien aus der Gesamtvergütung herausgenommen worden. „Das ist ein Kompromiss, der für die Patientenversorgung gut ist“, sagte Stahl. Kassen und Ärzte streiten seit Wochen über die Höhe der Honorare der rund 150 000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten für 2013. Die Kassen hatten zuletzt ein Plus von 900 Millionen Euro angeboten, was die Mediziner ablehnten. Sie forderten einen Anstieg der Gehälter um „weit über eine Milliarde Euro“, sagte der  KBV-Sprecher.

Aber die Protestwelle der Praxisärzte ist zu diesem Zeitpunkt bereits angerollt - ihre Organisatoren wollen sie nicht mehr stoppen. Ungeachtet des Kompromisses wollen die freien Ärzteverbände mit einem bundesweiten Protesttag ihrer Forderung nach höheren Honoraren Ausdruck verleihen. Insgesamt würden 25 000 bis 30 000 Ärzte und Angestellte am Vormittag und Mittag bei den Kundgebungen vor 35 Krankenkassen-Filialen erwartet. Die Aktionen fänden unabhängig vom Ergebnis der Verhandlungsrunde zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) statt, sagte der Sprecher der Allianz der deutschen Ärzteverbände, Dirk Heinrich.

Bereits am Dienstagnachmittag zeigte sich Jürgen Wasem zuversichtlich. Der neutrale Gesundheitsökonom aus Essen hatte beiden Seiten einen Kompromissvorschlag vorgelegt. KBV und Kassen-Spitzenverband berieten gemeinsam, dann getrennt. Dann kamen sie wieder zusammen. „Es kommt zum finalen Showdown“, frohlockte Wasem um 18.12 Uhr. Doch bis die Zeichen endgültig auf Einigung stehen, dauerte es nochmals rund drei Stunden. Ein zentrales Ziel erreicht die KBV: die Psychotherapeuten werden künftig nicht mehr aus dem zentralen Honorarbudget bezahlt. Immer mehr Patienten waren in den vergangenen Jahren zu ihnen gekommen. Ihr Honorar hatte nicht Schritt gehalten. Sie waren die Schlusslichter beim Ärzteeinkommen. Doch von den 3,5 Milliarden Euro, die die KBV wollte, sind die Ärzte weit entfernt geblieben.

Die Kassen öffnen wieder einmal die Schleusen - aber nicht allzu weit. Neue Leistungen sollen nun noch definiert werden, die die Ärzte für insgesamt 250 Millionen Euro zusätzlich bezahlt bekommen sollen. Das aber soll nicht Spezialisten für teure Gerätemedizin zugute kommen, sondern ausdrücklich der Grundversorgung.

Warum wird nun trotzdem protestiert? Bereits Tage zuvor rief die von der KBV unabhängige Allianz freier Ärzteverbände zum Protesttag an diesem Mittwoch auf. Es sollen die größten Ärzteproteste seit sechs Jahren werden. Die zum Protest entschlossenen Ärzte wollen von den Plänen nun nicht mehr ablassen.

„Dies ist kein Ärztestreik - dies ist ein Sklavenaufstand“, war auf Protestschildern zu lesen, als sich rund 30 000 Ärzte 2006 in Berlin versammelten. Seither sind die Ausgaben der Krankenkassen für Ärzte um rund fünf Milliarden Euro gewachsen. Doch haben die Funktionäre den Ärzten jetzt kaum weniger deutliche Slogans vorgeschlagen, etwa: „Wir kümmern uns um die Rentner, Krankenkassen um die Rendite.“ Doch einen richtigen Streik wird es nicht geben. Denn jeder Vertragsarzt hat eine Präsenzpflicht. Die Mediziner müssen bei einer vollen Zulassung an ihrem Arztsitz persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Sprechstunden zur Verfügung stehen. Und das Verständnis der Öffentlichkeit dürfte angesichts des erzielten Kompromisses auch nicht gerade wachsen.

Ihre eigene wirtschaftliche Lage als gut oder sehr gut bewerten überdies 79 Prozent der niedergelassenen Ärzten, wie eine Allensbach-Umfrage von 2011 gezeigt hat. Die eigentlichen Verteilungskämpfe finden in der Ärzteschaft selbst statt. Nach der jüngsten amtlichen Statistik lagen die Allgemeinmediziner mit einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 116 000 Euro am unteren Ende beim Ärzteverdienst. Spitzenreiter sind die Radiologen mit 264 000 Euro. Die Zahlen stammen aber aus dem Jahr 2007 - neuere Daten werden gerade erhoben. Für die Verteilung des Geldes sind die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in den Regionen zuständig. Je nach Einfluss der Facharztgruppen gibt es für die einen oder anderen Mediziner mehr oder weniger Geld. (mit dpa)

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