zum Hauptinhalt

Gesundheit: Alarm im Labor

Beim Treffen der Wissenschaftler-Elite: Wie die Kriegsgefahr alles verändert

Es ist nur ein kleines Kästchen, und es enthält nur drei Wörter – aber die Wirkung ist groß. Es taucht auf, sobald man morgens den Fernseher einschaltet. Ob CNN, NBC oder FOX News: HIGH TERROR ALERT heißt es in dem Kästchen, links oder rechts unten auf dem Schirm, jeden Tag, auf jedem Nachrichtensender in den USA.

Und wenn man abends den Fernseher ausschaltet, verschwindet zwar der Reporter in der Wüste von Kuwait oder die Runde mit Experten, die noch zu später Stunde über „Saddam’s Showdown“ diskutiert – nur die Botschaft des kleinen Kästchens, die Angst, verschwindet nicht.

Auch auf der Konferenz ist sie da. Konferenz? Wir befinden uns in Denver, Colorado, am Rande der Rocky Mountains. Jedes Jahr ruft die Amerikanische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Association for the Advancement of Science, AAAS) die besten Wissenschaftler der Welt zusammen, um die großen Forschungsthemen vorzutragen – ein „Wühltisch der Wissenschaft“, wie die „Zeit“ einmal formuliert hat. Diesmal also Denver, eine mittlere Metropole mit rund 550000 Einwohnern. Sehr gebildete Einwohner: 35 Prozent der Denveraner haben einen Uni-Abschluss – ein guter Ort also für einen Wissenschaftskongress.

Die AAAS ist kein Kongress von Forschern für Forscher. Fünf Tage lang, von morgens bis abends, wollen die Wissenschaftler auch die Öffentlichkeit für ihre Gedankengebäude und Experimente begeistern. Deshalb gibt es zusätzlich zu den Vorträgen Pressekonferenzen, auf denen Neuigkeiten besonders leicht verständlich präsentiert werden.

Diesmal gab es eine Pressekonferenz der besonderen Art. Nicht eine neue Entdeckung wurde verkündet, sondern wie man in Zukunft mit Entdeckungen umgehen will, die zu einer Gefahr werden könnten. Entdeckungen, mit denen sich zum Beispiel eine mikrobiologische Bombe bauen lässt. So kam das Kästchen in die Konferenz.

„Ich will nicht verantwortlich sein für den Tod von Amerikanern oder irgendjemandem sonst“, sagte Ronald Atlas, Präsident der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie. „Ich will nicht derjenige sein, der die Studie ,Wie man Milzbrand waffenfähig macht’ veröffentlicht, um dann zu erleben, wie jemand sie nutzt, um Hunderte oder Tausende von Menschen umzubringen.“

Mehr als 20 der einflussreichsten Wissenschaftsmagazine der Welt, darunter „Science“ und „Nature“, haben deshalb verkündet: Wir drucken keine Studien, von denen eine solche oder ähnliche Gefahr ausgeht.

Auch hier liegt der Teufel im Detail. Wie soll ein Redakteur erkennen, ob die Untersuchung zur Mikrostruktur des Milzbrand-Erregers, die da auf seinem Schreibtisch liegt, gefährlich oder nützlich ist? Kann er überhaupt einschätzen, ob die Studie eine Anleitung zum Bau einer Bombe ist oder, gerade umgekehrt, zur Entwicklung eines Gegenmittels führen könnte? „Ich studiere diese Sachen seit 50 Jahren und könnte so ein Urteil nicht fällen“, sagte Stanley Falkow, ein Mikrobiologe der Stanford-Universität in Kalifornien.

Das Problem sieht man zwar auch bei den Wissenschaftsmagazinen. „Die Studien, die einem Terroristen Instruktionen geben könnten, enthalten sehr wahrscheinlich auch Informationen von Wert, etwa für die Entwicklung von Strategien gegen den Terrorismus oder die Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit“, heißt es in der aktuellen Ausgabe von „Science“. Dennoch kommt man zum Schluss, dass gewisse „wissenschaftliche Informationen nicht publiziert werden sollten“.

Auch bei den Vorträgen der AAAS-Konferenz, die diese Woche zu Ende ging, konnte man das HIGH-TERROR-ALERT-Kästchen immer wieder spüren.

Physiker der Nasa und andere diskutierten die Gefahr eines Asteroiden-Einschlags auf der Erde – und wie man darauf reagieren könnte. Was, wenn der Asteroid unausweichlich auf uns zu kommt – wird Panik ausbrechen? Wie geht man damit um? „Der 11. September hat einmal mehr gezeigt, dass Panik eher eine Vorstellung ist, die aus Hollywood kommt“, sagte der Psychologe Lee Clarke von der Rutgers Universität im US-Bundesstaat New Jersey. „In den einstürzenden Türmen verhielten sich die Menschen erstaunlich ruhig und riskierten sogar ihr Leben, um das von wildfremden Menschen zu retten.“

Aber die Angst vor dem Terrorismus beherrschte die Konferenz nicht. Keine besondere Sicherheitsvorkehrungen an den Türen, und auch innerhalb der Hallen standen, wie sonst, die großen Themen der heutigen Wissenschaft im Vordergrund: das Genom, die Nanotechnologie – oder die „Physik der Extra-Dimensionen“.

So gab die aus Griechenland stammende Physikerin Fotini Markopoulou einen Vortrag darüber, wie man Einsteins Relavititätstheorie mit der Quantentheorie kombinieren könnte. So genial diese beiden großen Theorien des 20. Jahrhunderts sind, sie haben einen Schönheitsfehler: Sie passen nicht zusammen. Sie lassen sich nicht zu einer „Weltformel“ vereinen. Das aber ist genau das, worauf Physiker es abgesehen haben – wie auch Markopoulou, die erst 31 Jahre alt ist und auf dem Kongress als „Jungstar der Physik“ gefeiert wurde. Einsteins Relativitätstheorie erklärte die Frau innerhalb von fünf Minuten. Ihr Kommentar dazu: „That’s easy“ – „Einfach, oder?“

Und spätestens bei den Extra-Dimensionen, die man zu brauchen scheint, um Relativitäts- und Quantentheorie zusammenzubringen, war das kleine Kästchen vergessen. High dimension alert – für ein paar Stunden.

Gefördert von der Robert-Bosch-Stiftung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false