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Gesundheit: An die Arbeit

Das Bachelorstudium soll auf den Beruf vorbereiten. Aber der Weg dahin ist umstritten

Düsseldorf, im Jahr 2007. Henrike Heine hat es geschafft. Nach sechs Semestern ist die 22-jährige Germanistin Bachelorabsolventin der Uni Düsseldorf – und sie hat ein Zertifikat, das ihr Praktika bescheinigt. Schon im ersten Studienjahr hat Henrike nicht nur ihren Goethe studiert, sondern auch Reportagen und Pressemitteilungen geschrieben. Sie besuchte Übungen, die Literaturkritiker, Filmemacher oder Unternehmensberater anboten. In den Semesterferien machte sie Praktika beim Fernsehen und in einer Pressestelle. Im „Praxisforum“ hat sie ihre Erfahrungen mit Dozenten besprochen. Am Ende ihres intensiven Studiums wusste Henrike Heine: „Ich will zum Film.“ Nach einem kurzen Urlaub fängt sie bei einer Produktionsgesellschaft als Volontärin an.

Ein idealer Start ins Leben nach der Uni, auf den alle deutschen Bachelorstudenten in den Geistes- und Sozialwissenschaften hinarbeiten können? Der Bachelor soll ein erster berufsqualifizierender Abschluss sein. Heißt das, dass die Abkürzung für Bachelor – BA – für Berufs-Ausbildung steht? Keineswegs. Wie viel Berufsvorbereitung ein in der Regel dreijähriges Studium leisten kann, muss jetzt in allen Fachbereichen geklärt werden.

Die Erwartungen gehen weit auseinander: In den verkürzten Studiengängen neben den fachlichen auch spezifische berufliche Kompetenzen zu vermitteln, sei „nicht leistbar“, sagt Jürgen Kohler von der Uni Greifswald. Der Juraprofessor hat den Bachelor im Jahr 2000 an seinem Fachbereich eingeführt – und beobachtet die bundesweite Umstellung. Kohler plädiert für einen „generalistischen Ansatz“, nach dem die Studierenden nur in Schlüsselqualifikationen trainiert werden, also in Fremdsprachen, Rhetorik, Präsentationstechniken wie Powerpoint oder in Teamarbeit. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände dagegen fordert, die Studierenden sollten auch „für die typischen Arbeitsbereiche“ in ihren Fachrichtungen qualifiziert werden, Praktika müssten obligatorisch sein und von der Uni betreut werden.

Den deutschen Hochschulen steht frei, wie sie die berufsqualifizierenden Anteile in den Bachelor- und auch Masterstudiengängen gestalten. Festgelegt ist nur der Leistungsumfang, den Studierende bis zum Abschluss bewältigen müssen – durch eine Rahmenvorgabe der Kultusministerkonferenz (KMK): Mindestens 180 Leistungspunkte (Creditpoints) soll ein Bachelorstudent nach sechs Semestern in Seminaren, Vorlesungen, Übungen, durch Klausuren und eine Abschlussarbeit gesammelt haben. Den Umfang der Berufsvorbereitung beschließen die einzelnen Hochschulen. Dabei scheint sich bundesweit ein Modell durchzusetzen: Von den 180 Leistungspunkten sollen 110 im Kernfach, maximal 40 in einem verwandten Fach erworben werden – und 30 in der Berufsvorbereitung. So hat es die Freie Universität Berlin geregelt, aber auch an Universitäten in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen gilt diese Faustregel.

Henrike Heine, die Düsseldorfer Muster-Studentin, sammelt ihre Kreditpunkte im Studienbereich 4 (Theorie und Praxis germanistischer Anwendungsfelder), der zu ihrem Pflicht-Studienplan gehört. Aber auch für praktische Übungen und begleitete Praktika, die die zentrale Einrichtung „Kubus“ Geistes- und Sozialwissenschaftlern anbietet, werden Punkte angerechnet.

In Düsseldorf laufen die beiden Modelle, nach denen bundesweit berufsvorbereitende Seminare angeboten werden, parallel: Zum einen gibt es das integrative Modell, bei dem Professoren und Lehrbeauftragte in regulären Lehrveranstaltungen Übungen zu Schlüsselqualifikationen anbieten. Da schreiben die Studierenden etwa Literaturkritiken, lernen Referate oder Hausarbeiten multimedial zu gestalten oder sinnvoll in Teams zusammenzuarbeiten, wenn sie sich theoretische Texte erarbeiten. Daneben gibt es das additive Modell: In zentralen Career-Centern wie an der Freien Universität Berlin und an der Humboldt-Uni besuchen die Studierenden fächerübergreifende Kurse, die ihnen Schlüsselqualifikationen vermitteln: Es gibt Kurse zu Moderation und Gesprächsmanagement, zum Publizieren im Internet oder ein Unternehmensplanspiel.

Beide Modelle bergen Probleme, sagt Volker Meyer-Guckel vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Viele Professoren seien selber nicht dazu in der Lage, ihren Studierenden moderne Kommunikationstechniken zu vermitteln – und fühlen sich überfordert. An der Uni Heidelberg sollen sie es jetzt lernen: Die „Abteilung Schlüsselkompetenzen“ schult Lehrende, Studierende aus höheren Semestern und wissenschaftliche Mitarbeiter als Multiplikatoren. Das Problem der Career-Center: Die Studenten üben Rhetorik, Powerpoint oder Schreibtechniken losgelöst von ihrem Fachstudium, in dem es so weitergeht, wie bisher.

Als „Best-Practice-Universität“ bezeichnet der Stifterverband die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Henrikes Studienverlauf bleibe hoffentlich keine Fiktion, sagt der Leiter des Studienreformbüros Ulrich Welbers: „So stellen wir uns das idealerweise vor.“ Welbers glaubt allerdings nicht, dass Bachelorstudenten, die neben dem Studium noch jobben und Praktika machen, wirklich in sechs Semestern fertig werden. Aber wichtiger als die Studienzeitverkürzung sei, dass das Universitätsstudium umgesteuert jetzt werde: „Weg von einer rein wissenschaftlichen Ausbildung, hin zu einer Verbindung von Theorie und Praxis.“

Welbers ist begeistert, wie gut die Studenten die Angebote von Lehrbeauftragten aus Medienberufen oder aus Unternehmensberatungen annehmen, wie sie etwa in die Rhetorikkurse drängen. Aufgeweckt und kommunikativ seien sie schon. „Aber sie wollen professioneller werden, weil sie wissen, dass sie später in einem harten Wettbewerb mit anderen arbeiten werden und lernen müssen, sich durchzusetzen“, sagt Welbers.

CHECKLISTE Was die Arbeitgeber wollenDie Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) empfiehlt folgende Kriterien für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen (Auszug):

Die relevanten Berufsfelder für den Studiengang müssen beschrieben sein.

Das Curriculum soll darauf ausgerichtet sein, den Studierenden eine Befähigung für die typischen Arbeitsbereiche der jeweiligen Berufsfelder zu vermitteln.

Lehrbeauftragte aus der Praxis müssen in der Lehre eingesetzt werden.

Praktika sollen verbindlich vorgeschrieben sein und bewertet werden. Auch der Erfolg von überfachlichen Qualifikationen wie angemessenen Englischkenntnissen, Teamfähigkeit, Recherche- und Arbeitstechniken oder interkulturelles Verständnis muss überprüft werden. -ry

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