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Gesundheit: „Anfällig für Blockaden“

Wie soll die Fusion zwischen der Charité und dem Klinikum Franklin aussehen? Der Gesetzentwurf steht in der Kritik

Das Berliner Vorschaltgesetz der Koalitionsfraktionen von SPD und PDS für die Neuordnung der Hochschulmedizin steht in der Kritik. Bisher ist an den beiden betroffenen Universitäten kaum jemand mit dem Gesetzentwurf zufrieden, der die Fusion der Charité und des Klinikums Benjamin-Franklin (UKBF) einleiten soll. Der Wissenschaftsrat hat ebenfalls Änderungen angemahnt. Mediziner beider Hochschulen fordern unter anderem klarere Entscheidungs- und Rechtsstrukturen. Die Präsidenten der Freien und der Humboldt-Universität haben unterdessen in einem Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wegen „gravierender Defizite“ im vorliegenden Gesetzentwurf „jede Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der neuen Medizinstruktur“ abgelehnt.

Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) erläuterte im Gespräch mit dem Tagesspiegel, dass die Einwände bei der bevorstehenden Anhörung diskutiert werden sollten. „Es muss ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen gefunden werden. Die jeweiligen Gruppeninteressen bilden noch kein Gesamtmodell“, sagte Flierl. „Wichtig ist mir, dass die kontroverse Phase, in der dem Universitätsklinikum Benjamin Franklin die Schließung drohte, beendet ist und die Neustrukturierung in konstruktive Bahnen kommt.“

Berlins Hochschulmedizin soll bis zum Jahr 2015 so umstrukturiert werden, dass sie die Sparauflagen des Senats erfüllen kann. Dann sollen 98 Millionen der heute knapp 270 Millionen Euro vom jährlichen Landeszuschuss eingespart sein. Dafür ist die Zusammenlegung von Fach- und Forschungsbereichen vorgesehen. Damit die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit erhalten bleibt, soll dabei streng nach Qualitätsgesichtspunkten vorgegangen werden, hatte der Wissenschaftsrat angemahnt.

Das neue Vorschaltgesetz soll diesen Prozess einleiten und regelt die Struktur der Leitungsgremien. Das Gesetz ist in erster Lesung ins Abgeordnetenhaus eingebracht und soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden.

Der Vorstand ist zu schwach

Die Mediziner der Freien und der Humboldt-Universität befürchten, dass das „Management“-Gremium der neuen Hochschulmedizin, der Vorstand, nicht ausreichend durchsetzungsfähig konzipiert ist. „Der Vorstand erscheint schwächer als vom Wissenschaftsrat vorgesehen, der Aufsichtsrat dagegen sehr dominant“, kritisiert UKBF-Prodekan Rudolf Tauber. Im Ergebnis verfügten die Hochschulen sogar über weniger Autonomie als bisher. Der Dekan der Charité, Joachim Dudenhausen: „Ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, dass der Wissenschaftssenator automatisch der Vorsitzende des Aufsichtsrates ist. In den Kuratorien der Universitäten ist das ja nicht so. Diese wählen den Vorsitzenden aus ihrer Mitte.“

„In diesem Gesetzentwurf bleibt zu viel Gestaltungsmacht beim Staat“, sagte der Ärztliche Direktor der Charité, Manfred Dietel, dem Tagesspiegel. Der Staat handele damit gegen die Empfehlungen des Wissenschaftsrates. Das zeige sich darin, dass die neue Einrichtung nur eingeschränkt rechtsfähig sein soll – „teilrechtsfähig“ heißt es im Gesetz. Die Konsequenz aus dieser Entscheidung sei, dass „der Vorstand nicht voll geschäftsfähig arbeiten kann“. Der Vorstand brauche jedoch weitgehende Entscheidungsmöglichkeiten, um die vielen kontroversen Fragen zu entscheiden. Dazu gehören die Entscheidungen über die neuen Standorte der Fachbereiche, und die Frage, welche zusammengelegt oder eingestellt werden.

In der Frage des Rechtsstatus scheint es noch Klärungsbedarf zu geben. Während es aus Flierls Sicht bei der „Teilrechtsfähigkeit“ bleiben soll, setzt der hochschulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bert Flemming, auf die nächste Gesetzgebungsrunde. „Eine eigenständige und rechtlich völlig selbstständige Fakultät ist auch künftig nicht anzustreben“, erläutert Flierl. Die Teilrechtsfähigkeit sei Voraussetzung für den universitären Charakter der neuen Hochschulmedizin. „Die Fakultät soll zu beiden Universitäten gehören.“ Flemming verweist darauf, dass die volle Rechtsfähigkeit mit der Änderung des Universitätsmedizin-Gesetzes im kommenden Jahr kommt. „Vorher müssen noch grundlegende Fragen geklärt werden, wie das Haftungsrecht der neuen Einrichtung.“

Nicht schlank genug

Umstritten ist auch die Gremienfülle der fusionierten Hochschulmedizin mit immerhin sieben „Organen“, darunter neben Vorstand und Aufsichtsrat der Medizinsenat, Klinikums- und Fakultätsleitung. „Man sollte überdenken, ob die geplanten Leitungsstrukturen tatsächlich ,schlank’ genug sind, um damit funktional zu arbeiten“, meint Dudenhausen. „Die jetzt vorgesehenen vielfältigen Gremienstrukturen erscheinen nicht effektiv, sondern anfällig für gegenseitige Blockaden.“ Die Zahl der Gremien allein sage noch gar nichts, urteilt dagegen der Senator. „Das ist keine Privatklinik und die akademische Selbstverwaltung muss gewahrt werden.“

Einig sind sich die Mediziner auch in ihrer Forderung, dem Vorstand müsse ein Arzt angehören. Bisher ist das für das Dreiergremium nicht zwingend vorgeschrieben. „Erklärtes Ziel der Neuordnung ist bisher unbestritten, die wissenschaftliche und ärztliche Seite zu stärken. Bisher ist aber nur eine eindeutige Dominanz der administrativen Seite im Vorstand zu erkennen.“

Besonders verärgert sind die beiden Universitätspräsidenten. Sie können nach dem Gesetzentwurf nicht mit über den Medizin-Haushalt bestimmen und haben auch keine Eingriffsmöglichkeiten, falls sie Fehlentwicklungen beobachten, kritisiert FU-Präsident Peter Gaehtgens, der selbst Mediziner ist. Eine Haftung der Universitäten für wirtschaftliche Fehlschläge lehnen Gaehtgens und der Präsident der Humboldt-Universität, Jürgen Mlynek, daher ab. Sie argwöhnen zudem, dass sie sich auch künftig nicht mit ihren Änderungsvorschlägen durchsetzen können und verweisen auf ihre Erfahrung bei der abgeschlossenen Novellierung des Hochschulgesetzes.

An zwei Punkten allerdings gehen die Meinungen an FU und HU auseinander: „Der Fakultätsrat soll paritätisch von FU und HU besetzt sein“, fordern die FU-Vertreter und wünschen sich bei Verhandlungen und Entscheidungen „gleiche Augenhöhe“, damit das erheblich kleinere Klinikum Benjamin-Franklin nicht von der Charité dominiert wird. Das wird an der Charité anders gesehen. „Es scheint mir nicht logisch“, meint Dudenhausen. „Die Einsparungen wurden auch nicht paritätisch, sondern im Verhältnis 80 zu 20 Prozent verteilt. Im Ganzen kommt es mir aber hauptsächlich auf Ausgleich an und darauf, dass pragmatische Strukturen geschaffen werden, mit denen es sich arbeiten lässt.“ Eine Herzenssache ist wohl auch der künftige Name. „Charité-Berliner Hochschulmedizin“ sieht der Gesetzentwurf vor. „Die Namensgebung ist Programm“, so Gaehtgens. Die unterschiedlichen Traditionen beider Universitäten fänden so keinen Platz.

Am 4. April soll über den Gesetzentwurf nun in öffentlicher Anhörung beraten werden. Dazu sind rund 20 Organisationen und Gruppenvertreter eingeladen. Im Mai sollen eventuelle Änderungen dann eingearbeitet werden, so dass schnellstmöglich die Grundlage für die Fusion verabschiedet wird.

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