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Gesundheit: Angst vor tiefen Schnitten

Zwei Universitäten und ein Klinikum: Geht das? Die Debatte um Berlins Hochschulmedizin verläuft zurückhaltend – obwohl 2500 Stellen eingespart werden sollen

Ein Klinikum als Teil zweier Universitäten – dieser Vorschlag der Expertenkommission für die Zukunft der Berliner Hochschulmedizin birgt einigen Konfliktstoff in sich. „Ich weiß, das ist ein Novum in der ganzen Bundesrepublik. Aber seien Sie versichert: Es ist zu machen!“ Mit diesen Worten verteidigte der Kommissionsvorsitzende Winfried Benz am Dienstagabend bei einer Anhörung der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus seine Empfehlungen.

Danach sollen die Medizinfakultäten der Freien und der Humboldt-Universität zu einer Hochschulmedizin zusammengeführt werden, ebenso die beiden Klinika. Dass dies in gemeinsamer Verantwortung von FU und HU nicht möglich sei, ist nach Benz Einschätzung eines der Hauptargumente gegen die neue Konstruktion. „Jetzt muss das allerdings rechtlich intelligent konstruiert und im Detail ausgestaltet werden“, räumte Benz ein und erinnerte daran, dass die Alternative in der Schließung eines Klinikums besteht.

Wenn sogar zwei Hochschulen beteiligt sind, geben die Kritiker zu bedenken, wird die neue Leitung gebremst. Und nur mit klaren Entscheidungsstrukturen ließen sich die großen Einschnitte umsetzen. Indes: bei dieser Veranstaltung schwiegen sie. Und auch die Frage des früheren Wissenschafts-Staatssekretärs Bernd Köppl, ob die Fusion in der Medizin nicht eine Dynamik auch für die Fusion der drei Universitäten in Gang setze, blieb unbeantwortet.

Bei den Gestaltungsfragen kam der Verwaltungswissenschaftler Harry Fuchs Benz zur Hilfe. „An einem Universitätsklinikum muss die Krankenversorgung Forschung und Lehre dienen“, forderte Fuchs eine neue Rollenverteilung ein. Nach Einschätzung von Benz ein deutlicher Bruch mit den derzeitigen Verhältnissen: „Der Verwaltungsdirektor hat in Berlin jetzt auch die Verantwortung für die Mittel von Forschung und Lehre. Da muss ein Riegel vorgeschoben werden.“ Mehr Transparenz und Trennung bei der Kostenrechnung der Wissenschaft einerseits und der Krankenversorgung andererseits wird gewünscht.

Obwohl die Umstrukturierung unter dem Druck steht, 98 Millionen Euro Landeszuschuss einzusparen, muss sie gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Forschung erhalten. Daran erinnerte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Karl Max Einhäupl. In einer etwas heiklen Rolle, wird doch derzeit in der Medizin-Kommission seiner Organisation über das Berliner Experten-Gutachten beraten, versuchte er sich nur zu bundesweit diskutierten Fragen zu äußern. Und dazu gehört die im internationalen Vergleich schwache Leistung der klinischen Forschung in Deutschland. Gerade in Berlin hängen jedoch an den zusätzlich eingeworbenen Fördermitteln der Medizin Tausende von Arbeitsplätzen ab. „Die wichtigste Frage ist doch: Was wollen wir in Berlin wissenschaftlich machen", so Einhäupl. „Wenn es nicht gelingt, hier konkurrenzfähige Strukturen aufzubauen, ist all das gefährdet.“ Auch er plädierte dafür, den Landeszuschuss für Forschung und Lehre künftig in die Verantwortung der Fakultät zu geben. „Es geht nicht, dass dort nur ein Restbetrag ankommt.“ Dieses Geld müsse dann strikt leistungsorientiert vergeben werden. „Etwas anderes können wir uns angesichts der schlechten Finanzsituation gar nicht mehr leisten.“ Heute würden in Baden-Württemberg drei bis vier Prozent der Mittel leistungsorientiert vergeben – in Zukunft müssten dies 30 bis 40 Prozent werden.

Bei dem Anliegen, die klinische Forschung zu stärken, dürften sich Expertenkommission und Wissenschaftsrat treffen. Dort wird derzeit über das Expertengutachten beraten. Wenn dieses Votum am 16. Januar vorgestellt wird, wollen Senat und Abgeordnetenhaus unmittelbar an die Umsetzung gehen, wie die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lisa Paus, bekräftigte. Ende Februar soll das Abgeordnetenhaus bereits ein „Vorschaltgesetz“ verabschieden, mit dem die Grundstrukturen der neuen Hochschulmedizin festgelegt werden.

Vorher ist noch so manche Auseinandersetzung zu führen. Denn das Konfliktpotenzial wird sofort sichtbar, wenn es um unmittelbare Konsequenzen geht. „98 Millionen Euro Einsparung bedeuten, dass wir 2500 Mitarbeiter entlassen müssen“, rechnete der Ärztliche Direktor der Charité, Manfred Dietel, vor. Die neue Hochschulmedizin werde 13 000 Mitarbeiter haben – und damit Gewicht in der Stadt.

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