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Gesundheit: Astronomie: Der Mond ist ein Trümmerkind

Der Himmel zeigt sich scheinbar unbeeindruckt vom Pomp der Geschichte. Dort oben herrscht, kugelrund, die Zeitlosigkeit.

Der Himmel zeigt sich scheinbar unbeeindruckt vom Pomp der Geschichte. Dort oben herrscht, kugelrund, die Zeitlosigkeit. Der Mond dreht sich im Kreis und leuchtet mit poetischer Regelmäßigkeit. Aber auch hinter der illusorischen Ewigkeit des Mondes verbirgt sich eine Geschichte. Eine Erzählung mit Kanonenschlag und Donnerhall, die soeben um ein paar Details reicher geworden ist. Robin M. Canup und Erik Asphaug haben die dauerhafte Beziehung zwischen Erde und Mond bis hin zu ihren turbulenten Anfängen zurückverfolgen können. Die beiden US-Forscher wandelten die zu physikalischen Formeln verdichtete Erfahrung von Geo- und Planetenwissenschaftlern in eine Computersimulation um. Heraus kam eine schmucke Bildsequenz.

Sie zeigt, wie sich die Geburt des Mondes vor 4,5 Milliarden Jahren nach heutigem Kenntnisstand abgespielt haben könnte. Damals war die Sonne gerade erst entstanden. Und mit ihr bildeten sich, aus übrig gebliebenem Staub und Gas, die Planeten und andere, zumeist kleinere Himmelskörper. Nach Canups Berechnungen war das Sonnensystem etwa 50 bis 70 Millionen Jahre alt, die Erde also schon fast zu voller Größe angewachsen, als sich ein folgenschwerer "Big Bang" ereignete: Ein bereits planetengroßer Himmelskörper prallte mit der Erde zusammen. Wie Canup und Asphaug in der am Donnerstag erschienenen Wissenschaftszeitschrift "Nature" (Band 412, Seite 708) berichteten, hatte dieses Objekt wahrscheinlich die Ausmaße des Planeten Mars.

Rund ein Zehntel der Erdmasse donnerte demnach mit hoher Geschwindigkeit auf den Globus nieder. Das Projektil traf die Erde ein wenig seitlich und versetzte sie dadurch in eine schnellere Drehung. Die Erde rotierte fortan so flott, dass ein Erdentag zunächst nur fünf Stunden währte. Erst mit den Jahrmillionen wurden die Tage länger, die Umdrehung langsamer (siehe weitere Artikel). Was unmittelbar nach dem Aufprall geschah, lässt sich nur grob skizzieren: Der Himmelskörper schlug wie ein Keil in die heiße Erdkugel und riss einen Teil von ihr mit sich fort. Doch die Schwerkraft der Erde ließ ihn nicht mehr entkommen. Er fiel erneut auf die Erde, die metallischen Kerne der beiden Himmelskörper verschmolzen miteinander. Allmählich kam die Erde wieder zur Ruhe. Bis zur Vollendung des Mondes sollten allerdings noch einige Zeit vergehen.

Der Mond ist ein Trümmerkind. Er entstand aus den unzähligen Bruchstücken, die bei der Kollision ins All katapultiert wurden und sich in einer Erdumlaufbahn sammelten. Diese Trümmer wuchsen nach und nach zu jenem mächtigen Erdtrabanten zusammen, der seither die Gezeiten auf der Erde bestimmt und - was für die spätere Entstehung des Lebens auf unserem Planeten vielleicht von noch größerer Bedeutung ist - die Erdachse stabilisiert. Ohne den Einfluss des Mondes hätte sich die Neigung der Erdachse und damit das Klima auf der Erde vermutlich schon oft drastisch geändert.

Das theoretische Modell, auf das sich Canup und Asphaug stützen, ist jüngeren Datums. Es geht unter anderem auf die Apollo-Missionen zurück. Amerikanische Astronauten brachten von 1969 an fast 400 Kilogramm Mondgestein von sechs verschiedenen Landeplätzen zur Erde zurück. Die Analysen dieser Proben dauerten viele Jahre. Sie ergaben zunächst, dass der Mond etwa gleichzeitig mit der Erde entstanden sein musste. Das Mondgestein ließ zudem auf eine enge Verwandtschaft zwischen Erde und Mond schließen. Doch zeigten sich auch große Unterschiede. Zum Beispiel ist das Mondgestein reicher an Aluminium oder Calcium, dagegen ärmer an Substanzen, die bereits bei niedriger Temperatur schmelzen. Der Mond konnte sich wohl nicht einfach von der Erde abgespalten haben.

Aber erst zwölf Jahre nach dem letzten Apollo-Flug, bei einer Konferenz auf Hawaii im Jahr 1984, weckte die Kollisionstheorie breites Interesse. Jetzt konnten die Wissenschaftler auf einfache Weise erklären, warum die Erde so schnell rotiert oder warum der Mond, im Gegensatz zur Erde, keinen Kern aus Eisen besitzt: Beim Einschlag des marsgroßen Himmelskörpers war dessen metallischer Kern in der Erde stecken geblieben. Canup und Asphaug haben das Kollisionsmodell jetzt untermauert. Ihre Computerberechnungen zeichnet eine bis dato unerreichte Präzision aus. Sie haben damit viele verbliebene Zweifel an der Trümmergeburt des Mondes aus dem Weg geräumt. Zuvor hatten Wissenschaftler angenommen, die erst halb fertige Erde wäre 30 Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems mit einem Planeten kollidiert, der erheblich größer war als unser Nachbarplanet Mars. Aber es bedurfte wohl keines solch gigantischen Kollisionspartners. Wie die US-Forscher nun gezeigt haben, konnte auch eine bescheidenere Marskugel dem Mond Beine machen. Schon deswegen seien die Ergebnisse äußerst ermutigend, kommentiert der Planetenkundler Jay Melosh von der Universität von Arizona in Tucson die "Nature"-Studie. Er hofft, dass sich nun weitere Wissenschaftler dem Ursprung des Mondes widmen werden, um die Simulation noch einmal zu verbessern.

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