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Gesundheit: Atommüll-Lagerung: Nachgiebig, aber strahlenfest

Hochgradig radioaktiver Abfall ist nicht leicht zu verpacken. Es gibt kaum Materialien, die der Strahlung dauerhaft standhalten.

Hochgradig radioaktiver Abfall ist nicht leicht zu verpacken. Es gibt kaum Materialien, die der Strahlung dauerhaft standhalten. Nach den Worten von Kurt Sickafus von den Los Alamos National Laboratorien in New Mexico in den USA werden verbrauchte Brennelemente unter anderem in Behältern gelagert, die eine Lebensdauer von rund hundert Jahren haben. Die Strahlung führt dazu, dass Atome aus ihrer präzisen Anordnung im Behältermaterial gedrängt werden. Mit der Zeit kommt es dann zu Rissen oder anderen Defekten. Nach 100 Jahren ist die Strahlung der Abfälle aber längst noch nicht abgeklungen. Sicherheitstanks müssten der Beschädigung durch Radioaktivität daher Tausende von Jahren widerstehen können.

Sickafus und seine Kollegen haben nun Werkstoffe entdeckt, die sich für eine solche Langzeitlagerung radioaktiven Mülls eignen könnten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Atome in den Materialien relativ ungeordnet sind. Die Atome können ihre Position innerhalb der Kristalle sehr leicht verändern und damit Schäden tolerieren, die durch radioaktive Strahlen verursacht werden.

Bei den Werkstoffen handelt es sich um eine bestimmte Gruppe von Keramiken, wie die Forscher aus den USA, Großbritannien und Japan im heute erschienenen Wissenschaftsmagazin "Science" (Band 289, Seite 748) berichten. Die komplexen Oxide haben die kristalline Struktur von Flussspat und widerstehen der Bestrahlung außerordentlich gut. Das haben unter anderem Computersimulationen ergeben.

Keramiken stehen schon lange im Blickpunkt der nuklearen Sicherheitsforschung. Die Aufmerksamkeit galt bisher Stoffen wie Zirkon. In der Praxis konzentriert man sich in Ländern wie den USA dagegen oft auf glas- oder zementartige Werkstoffe, um langlebige radioaktive Stoffe einzuschließen.

30 Tonnen Bombenstoff

In Deutschland wird auf diesem Gebiet nur noch wenig Forschung betrieben. Dabei gäbe es auch hier zu Lande gute Gründe, der Entsorgungsproblematik offensiver zu begegnen. Was noch bis zum Jahre 2005 von deutschen Kernkaftwerken aus ins Ausland verfrachtet wird, kommt morgen unter anderem als waffentaugliches Konzentrat nach Deutschland zurück: 30 Tonnen hochradioaktives Plutonium wurden zum Beispiel bisher in den Wiederaufbereitungsanlagen im britischen Sellafield und in La Hague, in Frankreich, von abgebrannten Brennelementen getrennt. Frankreich drängt zur Zeit darauf, die Deutschen mögen ihren aufbereiteten Abfall zurücknehmen, ehe neue Brennelemente nach La Hague geliefert werden können.

Reines Plutonium muss aber in Deutschland genauso sicher gelagert werden wie der Bombenstoff, den die USA und Russland gemäß ihren bilateralen Verträgen aus ihren jeweiligen Waffenarsenalen beseitigen möchten. Denn es ist nicht nur ungemein giftig. Schon wenige Kilogramm dieses Plutoniums reichen für den Bau einer Atombombe aus. Wohin also damit?

Für die USA und Russland ist Plutonium nach wie vor auch ein Wertstoff. Sie beabsichtigen, einen Teil des einstigen Waffenplutoniums zur Energiegewinnung in dafür geeigneten Kernkraftwerken zu verwenden: Die USA wollen 33 Tonnen in Mischoxid-Brennelementen (Mox) einsetzen und in Leichtwasserreaktoren verbrennen. Wenn der Anteil der Mox-Brennelemente im Reaktor hoch genug ist (mehr als etwa 35 Prozent), lässt sich auf diese Weise die Plutoniummenge abbauen. 17 Tonnen Waffenplutonium sollen in den USA direkt in einem Endlager verschlossen werden. In Russland geht sogar nur eine Tonne sofort ins Endlager, während der Rest - mit deutscher Hilfe - in Mox-Elementen und in Schnellen Brütern verfeuert werden soll.

In Deuschland scheint die direkte Endlagerung des Plutoniums die einzige Option zu sein. Der Bau von Anlagen, die große Teile Mox-Brennstoff verwerten könnten, ist nicht in Sicht. Reaktorkonzepte wie der Schnelle Brüter sind längst vom Tisch. So warten auch die zwei Tonnen Plutonium in Form von Brennelementen, die einst für den Schnellen Brüter in Kalkar vorgesehen waren, noch auf den Weg ins Endlager.

Ein Endlager etwa im niedersächsischen Gorleben, wo die Erkundungsarbeiten nun erst einmal wieder unterbrochen werden, ist aber nur die äußere, die geologische Sicherheitshülle. Hochradioaktive Abfälle werden zuvor in Glaskugeln eingebettet. Diese Kugeln sitzen in einem Bleiblock - ähnlich wie in einem Schweizer Käse - und werden mit diesem in Stahlzylindern aufbewahrt. Bei Plutonium ist ein zusätzlicher Schutz vor Missbrauch notwendig - ein Schutz, der über Generationen und sich verändernde Gesellschaftsformen gewährleistet sein sollte. Eine breite Diskussion über Entsorgungskonzepte insbesondere für Plutonium gibt es trotz eines Konsens über den Ausstieg bislang nicht.

Einfache chemische Grundformel

Vielleicht hoffen die Politker darauf, dereinst von Lösungen andernorts zu profitieren. Forschungsergebnisse wie das aus den USA könnten da ein kleiner Lichtblick sein. Der Materialforscher Kurt Sickafuß jedenfalls meint, dass sich die neuen Keramikstoffe als "viel versprechende, sichere und strahlungsfeste Möglichkeit" erweisen. "Sie sollten zur Herstellung von Sicherheitsbehältern für Atommüll weiterentwickelt werden", schreibt er in einem Begleitartikel.

Die Keramiken haben alle eine gemeinsame chemische Grundformel: Sie sind aus sieben Sauerstoffatomen aufgebaut, zu denen sich jeweils zwei verschiedene Paare metallischer Atome gesellen. Je nach Größe dieser geladenen Metallatome verleihen die Pärchen dem Material eine starr organisierte Kristallstruktur, wie sie auch das braune Mineral Pyrochlor besitzt, oder aber eine relativ ungeordnete. In diesem Fall ähnelt der Stoff dem Flussspat, einem in der chemischen Industrie oft verwendeten Mineral.

Neben den erwähnten Computersimulationen machten die Wissenschaftler mit den Keramiken zahlreiche, wenngleich nur vorläufige Belastungsexperimente. Sie setzten die Kristalle mit Pyrochlor- und Flussspatstruktur der radioaktiven Strahlung aus. Die Flussspatstruktur blieb dabei erhalten, während die anderen Substanzen in ein amorphes Durcheinander zerfielen.

Sickafus schätzt, dass auch andere kristalline Stoffe mit ungeordneter Struktur relativ gut gegen Schäden gefeit sind, die durch radioaktive Strahlung hervorgerufen werden. "Wir nehmen an, dass es sich hierbei um eine grundsätzliche Eigenschaft handelt, die auch bei Werkstoffen außerhalb der von uns untersuchten Gruppe anzutreffen ist", sagt er. "Doch mit Sicherheit können wir das erst nach weiterer Forschungsarbeit sagen."

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