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Gesundheit: Augen als Schöpfer

Kardinal Karl Lehmann über die Rolle des Bildes in der Kirche

Die urchristliche Kultur ist keine des Bildes – am Anfang war das Wort. Und in den zehn Geboten heißt es sogar: „Du sollst dir kein Bildnis machen.“ Denn der Mensch soll nicht die Illusion haben, er könne über Gott verfügen, indem er über ein Bild von Gott verfügt. Wie es dazu kam, dass die christliche Kirche diese kunsthemmende Auffassung doch überwand, schilderte Kardinal Karl Lehmann, Bischof von Mainz und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, am Donnerstag in der HumboldtUniversität, die ihn zur „Berliner Thyssen-Vorlesung“ eingeladen hatte. Im Rahmen der von den Kunsthistorikern Gottfried Boehm und Horst Bredekamp organisierten Reihe spricht jedes Semester jeweils ein namhafter Künstler oder Forscher zum Thema „Ikonologie der Gegenwart“. Ziel ist es, das Bild erkenntnistheoretisch einzuordnen.

Schließlich ist das Bild in der Medienflut allgegenwärtig, wie Lehmann sagte, gerade in der Werbung ersetzt es häufig das Wort. Dabei ist das Bild mehr als nur ein Zeichen mit einer Funktion wie etwa ein Verkehrsschild. Das Dargestellte erhält im Bild eine Steigerung. Manchmal so sehr, dass das Abbild mehr sagt als das Urbild, wie Lehmann erklärte. „Diese Doppeldeutigkeit des Bildes muss präsent gehalten werden“, sagte Lehmann, denn Bilder könnten eine enorme Macht über den Betrachter ausüben. Eben das ist der Grund, warum die Kirchenväter seit dem 4. Jahrhundert über das Bild lebhaft diskutieren. Basilius der Große ist es, der damals das maßgebliche Argument für eine positive Sicht auf das Bild liefert: Die Ehre, die dem Bild erwiesen wird, geht über auf das Urbild, auf Jesus, Maria und die Heiligen. Trotzdem bleibt das Verhältnis der Kirche zum Bild lange ambivalent. Davon zeugt zuletzt der Bildersturm der Reformationszeit.

Für den Kardinal gibt es jedoch keinen Anlass, nicht auch „Dokumente des Glaubens zuzulassen, die über Texte hinausgehen“. Dabei geht es ihm aber um weit mehr als um die „didaktische Verzweckung“ des Bildes. Vielmehr müsse der Betrachter das Bild in einem Akt des „schöpferische Sehens“ in seinem „eigenen Wert“ erschließen. Große Konflikte in der Ökumene wegen der unterschiedlichen Rolle, die die Konfessionen dem Bild zuweisen, sieht Lehmann nicht: „Zwischen den Konfessionen ist unstrittig, dass Symbole nützlich sind“, sagte er. Ohnehin sei die schroffe Trennung von Wort und Bild unsinnig. Denn die Sprache sei voll von Bildern.

Die Veranstaltung wurde von zwei Männern gestört, die die etwa 400 Zuhörer im Audimax laut rufend davon zu überzeugen versuchten, dass die Repräsentanten der Kirchen „Irrlehren“ über Jesus Christus verbreiten. Dem Präsidenten der Humboldt-Uni, Jürgen Mlynek, gelang es schließlich, sie vor die Tür zu begleiten. Der Kardinal kommentierte den Zwischenfall mit den Worten: „Solche Dinge kommen immer wieder vor, und das Wichtigste ist, das wir sie mit Ruhe überstehen.“ akü

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