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Gesundheit: Aus drei mach zwei

Spitzenforschung sieht sich vor rasantem Abbau, Schließungen im Osten möglich

Die deutsche Spitzenforschung sieht sich wegen der aktuellen Finanzentwicklung vor einem dramatischen Abbau. Mehr als 20 Institutsabteilungen und eventuell sogar ganze Institute der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) sollen geschlossen werden. Bei den anstehenden Neubesetzungen von Direktorenstellen werde voraussichtlich etwa jede dritte wegfallen, kündigte MPG-Präsident Peter Gruss am Dienstag in Berlin an. Bei den Schließungen werde es „keine Tabus geben“. Selbst die neuen Bundesländern könnten nicht ausgenommen werden. Auch der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Ernst-Ludwig Winnacker, sieht die Entwicklung der Forschung in Deutschland gefährdet.

Auslöser dieser Reaktionen ist die Ankündigung der Bundesregierung, die Etats der beiden Forschungsorganisationen im kommenden Jahr wegen der aktuellen Kassennotlage nicht zu erhöhen – entgegen einer mit den Ländern bereits vereinbarten Erhöhung um drei Prozent. Mit dem Bundesgeld verlieren die Forschungsinstitute den Länderanteil automatisch mit. Die MPG beziffert ihre „Einbuße“ mit 28 Millionen Euro, die DFG mit 43 Millionen Euro. Eine Erwiderung von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) auf die Vorwürfe wurde in der Parlamentsdebatte um den Forschungsetat am Dienstagnachmittag erwartet.

Teure Naturwissenschaften

Schon in den vergangenen Jahren hätten die Zuwächse von drei bis fünf Prozent jährlich deutlich unter dem Bedarf gelegen, erläuterte Gruss die weitreichenden Konsequenzen. Die Max-Planck-Institute seien mittlerweile „strukturell“ stark unterfinanziert. Zudem seien Neuberufungen besonders in den Naturwissenschaften dramatisch teurer geworden. Die Investitionen bei einer Stellenbesetzung koste in diesen Fächern heute rund 2,5-mal soviel wie vor zehn Jahren, rechnete MPG-Generalsekretärin Barbara Bludau vor. Also würden voraussichtlich nur zwei von drei Direktorenstellen wiederbesetzt werden, die in den nächsten Jahren durch Emeritierung frei werden. Dort steht wie in vielen Bereichen eine Welle von Pensionierungen an. Mit den Neubesetzungen werden die Weichen für die Grundlagenforschung in den nächsten 20 Jahren gestellt.

Besondere Sorgen bereitet MPG wie DFG, ob sie bei der Anwerbung von Spitzenwissenschaftlern gegenüber der internationalen Konkurrenz zurückfallen. In den USA sei die Forschungsförderung gerade erheblich erhöht worden. So sei der Etat des National Institutes of Health um 15 Prozent, der der National Science Foundation um 100 Prozent gewachsen. Mit beiden konkurriert besonders die MPG etwa um die umworbenen Biowissenschaftler.

Sparen beim Nachwuchs

Von den Spareinschnitten sind nach Gruss Worten zunächst die neuen Programme betroffen, wie die Nachwuchsförderung an den International Research Schools, die Klinische Forschung und die Max-Planck-Forschungsgruppen an Universitäten. Auch bei der DFG sind nach Winnackers Worten ungefähr 2000 Doktoranden betroffen.

Winnacker und Gruss warnten vor einer Signalwirkung der Bundesentscheidung. Bisher habe noch kein Mitglied der Bund-Länder-Kommission verabredete Zahlungen wieder aufgekündigt. „Wir fragen uns natürlich, wer der Nächste ist“, meinte Gruss. Finanzielle Probleme hätten alle Länder. Allerdings hat in den letzten Jahren besonders der Bund in die Forschung investiert. Die beiden Präsidenten appellierten an die Länder, einen Etatzuwachs noch zu ermöglichen.

Die MPG will künftig ihre Interessen in Berlin stärker vertreten. Dazu soll ein eigenes Hauptstadt-Büro beitragen, dessen Leiter der bisherige Spiegel-Redakteur Jürgen Neffe (46) im Januar übernimmt. Die MPG hat ihren Hauptsitz in München.

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