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Gesundheit: Auslandsinstitute: Winfried Schulze im Gespräch: "Nicht als Agent des Ministeriums"

Winfried Schulze (59) ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität München. Von 1998 bis zu Beginn dieses Jahres war er Vorsitzender des Wissenschaftsrats und hat in dieser Zeit so wesentliche Empfehlungen wie die zur Studienreform mit den neuen Abschlüssen Bachelor und Master oder zur Neuordnung des Forschungs- und des Hochschulsystems in Deutschland mitgetragen.

Winfried Schulze (59) ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität München. Von 1998 bis zu Beginn dieses Jahres war er Vorsitzender des Wissenschaftsrats und hat in dieser Zeit so wesentliche Empfehlungen wie die zur Studienreform mit den neuen Abschlüssen Bachelor und Master oder zur Neuordnung des Forschungs- und des Hochschulsystems in Deutschland mitgetragen.

Sieben deutsche Historische Institute im Ausland sollen eine neue Dachorganisation bekommen. Die Institute wehren sich dagegen, aus der direkten Verantwortung des Bundeswissenschaftsministeriums herausgelöst zu werden. Sie sind als ehemaliger Vorsitzender des Wissenschaftsrats in den Mittelpunkt der Kritik geraten. Warum?

Ich verstehe, dass sich die Herren Direktoren gegen die Neuordnungspläne wenden, weil eine Neuordnung immer mit Unruhe verbunden ist und man Angst hat, dass das Bewährte vielleicht aufgegeben wird. Aber als ehemaliger Vorsitzender weise ich darauf hin, dass der Wissenschaftsrat in seinem Gutachten von 1999 über die sieben deutschen historischen Institute nicht nur gesagt hat, die Institute arbeiten gut, sondern er hat auch zwei deutliche Empfehlungen gegeben: Man sollte nachdenken, ob nicht ein gemeinsamer institutioneller Verbund dieser Institute eingerichtet werden könnte. Außerdem empfahl er eine gemeinsame inländische Zentralstelle für diese Institute aufzubauen. Insofern sehe ich mich durchaus in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Wissenschaftsrats und muss mir nicht vorhalten lassen, dass ich Texte nicht richtig interpretieren kann, wie es in der jüngsten Auseinandersetzung geschehen ist.

Noch 1999 hatte der Wissenschaftsrat in einem Gutachten herausgestellt, dass sich die bisherigen unterschiedlichen Organisationsformen bewährt haben: für einige historische Institute die Rechtsform nicht selbstständiger Anstalten, für andere die Form von Stiftungen mit einem erheblich größeren Spielraum? Woher kommt der Sinneswandel?

Da ist kein Sinneswandel eingetreten. Das zuständige Bundesforschungsministerium ist der Meinung, dass man Verwaltungshandeln aus dem Ministerium herausnehmen und sich auf Regierungshandeln konzentrieren sollte. Dies trifft sich mit der richtigen Einsicht, dass Forschungsinstitute nicht unbedingt in einem Ministerium geführt werden sollten. Deshalb geht es jetzt darum, die in unterschiedlichen historischen Zusammenhängen entstandenen Institute in einer Organisation zusammenzuführen.

Dann charakterisieren Sie das geplante übergeordnete Leitungsmodell.

Das neue Modell sieht so aus: Es orientiert sich im Wesentlichen an den anderen deutschen Forschungsorganisationen, die alle ähnlich aufgebaut sind: Der Staat gibt das Geld für die Aufgaben, aber er gibt es einer unabhängigen wissenschaftlichen Einrichtung, die dafür sorgt, das dass Richtige getan wird. So funktionieren die Max-Planck-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Alexander von Humboldt-Stiftung und andere Einrichtungen. Dieses an sich wohltätige Grundprinzip möchte ich auch für die gemeinsame Organisation der deutschen Auslandsinstitute anwenden. Mein Konzept sieht einen Stiftungsrat vor, und dieser Stiftungsrat wird überwiegend mit Wissenschaftlern besetzt sein. Da sind nur zwei Ministerialvertreter aus dem Bundeswissenschaftsministerium und dem Außenministerium drin. Hinzu kommen Vertreter von befreundeten Organisationen wie der Max-Planck-Gesellschaft, der Alexander von Humboldt-Stiftung und Wissenschaftler aus den Beiräten der Historischen Institute sowie institutionell nicht gebundene Wissenschaftler. Eine eindeutige Mehrheit von Wissenschaftlern entscheidet in diesem Stiftungsrat über den Haushalt.

Es ist auch die Rede davon, dass der Stiftungsrat sowohl über Forschungsprojekte als auch über Veröffentlichungen entscheidet. Besteht da nicht die Gefahr, dass ein abgehobener Stiftungsrat mit einem Präsidenten an der Spitze Entscheidungen trifft, die in den Instituten vor Ort ganz anders und vielleicht auch sachnäher getroffen werden könnten?

Diese Gefahr sehe ich nicht, weil der Stiftungsrat nicht über Publikationen entscheidet und auch nicht über einzelne Forschungsprojekte. Die Institute sind weiterhin völlig frei in den Entscheidungen über ihre Forschung. Die Vorhaben werden sie mit ihren Beiräten besprechen. Im Übrigen werden die Institute mit ihren Beiräten auch für die Vergabe der Stipendien oder die Besetzung von Mitarbeiterstellen auf Zeit verantwortlich sein. Sie werden in diesen Zuständigkeiten künftig sogar noch gestärkt gegenüber den bisherigen Regeln. Die Aufgabe des Stiftungsrates wird sich im Wesentlichen auf die Aufstellung des Haushaltes beschränken. Insofern ist eine Einflussnahme in die wissenschaftliche Arbeit weder beabsichtigt noch strukturell angelegt.

In der öffentlichen Auseinandersetzung, die inzwischen in den Zeitungen ausgetragen wird, wird gerade herausgestellt, dass der Stiftungsrat über Projekte bis hin zu Publikationen entscheiden wird, weil das ja Geld kostet. Ist das Polemik?

Für den Stiftungsrat wird es keinen Ansatz für ein Hineinregieren in die Arbeit der Institute geben. Die bisherige Erfahrung, die wir mit Aufsichts- oder Stiftungsräten gemacht haben, gibt auch keinen Anlass für die Vermutung eines Hineinregierens. Alle diese Institutionen bemühen sich um eine wissenschaftliche Qualität dessen, was in diesen Einrichtungen gemacht wird und sie greifen nicht in die Detailarbeit der Institute ein. Und das aus guten Gründen. Kein Stiftungsrat wird so dumm sein, das zu tun.

In der öffentlichen Polemik ist die Rede davon, dass die Wissenschaftsministerin Bulmahn zwar keinen Grund für ihren Veränderungswillen angeben könne. Aber sie hat Sie, Herr Professor Schulze, beauftragt, den Plan für eine Neuordnung nicht nur auszuarbeiten, sondern den Instituten auch noch nahe zu bringen. Was haben sie bei ihren Institutsbesuchen für ein Echo bekommen?

Die Institutsbesuche sind in einer angenehmen Atmosphäre verlaufen. Sie waren nicht geprägt von der Tonlage, die jetzt in einigen Presseveröffentlichungen zu spüren ist. Wir haben sehr sachlich über die Vor- und Nachteile der geplanten Neuregelung gesprochen. Und ich habe deutlich gemacht, dass ich die Besuchsreise zu den Instituten nicht deshalb unternehme, um den Instituten fertige Weisheiten mitzuteilen, sondern deshalb, um die Einwände der Institute zu hören. Es gibt Institute in Rom und Paris, die sich dezidiert gegen die Neuregelung wenden, weil sie dann in einen anderen Rechtsstatus versetzt würden - aus dem Ministerium heraus in eine Stiftung. Andere Institute, die bereits Stiftungen angehören wie Washington oder Warschau, empfinden das nicht als zentralen Punkt der Kritik.

Es ist die Rede davon, dass Sie der Präsident des künftigen Stiftungsrats werden sollten. Stehen Sie für ein solches Amt zur Verfügung? Ist das Ihr Ehrgeiz?

Ich habe überhaupt keinen Ehrgeiz, irgend welche Ämter zu besetzen. Meine bisherige Karriere zeigt deutlich, dass ich mich nicht um Ämter bemüht habe, sondern dass Ämter an mich herangetragen worden sind. So ist es auch hier. Die Ministerin hat mich gebeten, mich um diese Dinge zu kümmern, weil ich durch die Tätigkeit im Wissenschaftsrat und als Historiker eine gewisse Nähe zu den Problemen habe. Ich habe kein Junktim hergestellt zwischen meiner jetzigen Tätigkeit und einer späteren Präsidentschaft in einem solchen Stiftungsrat.

Es gibt in Deutschland eine Krise der Geisteswissenschaften, die dadurch gekennzeichnet ist, dass bei der Verteilung der Gelder die Naturwissenschaften, die Ingenieurwissenschaften und die Medizin ganz vorn stehen und die Geisteswissenschaften abgeschlagen sind. Dasselbe kann man in der öffentlichen Wahrnehmung beobachten. Der Wissenschaftsrat möchte die Geisteswissenschaften aufwerten. Ist die Neuorganisation der historischen Auslandsinstitute in diese Bestrebungen einzuordnen?

Ich glaube ja. Wenn die Geisteswissenschaften im Verteilungssystem der Gelder Erfolg haben wollen, müssen sie sich auch den Formen anpassen, die durch die Naturwisseschaften geprägt worden sind. Wir haben es bei den Sonderforschungsbereichen gesehen. Zunächst haben die Geisteswissenschaften zurückhaltend auf dieses Angebot reagiert. Jetzt, nachdem sie unter Druck geraten sind, greifen die Geisteswissenschaftler zunehmend auf Sonderforschungsbereiche zurück. Wir passen uns auch bei der Neukonstruktion für die historischen Auslandsinstitute bewährten Förderformen an, weil wir im Wettbewerb stehen. Hinzu kommt: In einem knappen halben Jahrzehnt wird darüber nachgedacht, ob nicht die nationalen Einrichtungen in der Forschung mit einem europäischen Netz verbunden werden. Dann muss man über eine handlungskräftige Organisation verfügen, wie wir es jetzt mit der Stiftung planen. Deshalb engagiere ich mich dafür - nicht als Agent des Ministeriums, sondern als Wissenschaftler.

Sieben deutsche Historische Institute im Ausland s

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