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Gesundheit: Autoverkehr: Riskante Raserei

Das Auto, des Deutschen liebstes Beförderungsmittel, ist bereits als eine "geladene Waffe" bezeichnet worden, die ohne Waffenschein betrieben werden darf. Tatsächlich kostet der Straßenverkehr allein in Deutschland pro Jahr rund 8000 Menschenleben, während sich etwa die Zahl der Mordopfer auf weniger als 1000 beläuft.

Das Auto, des Deutschen liebstes Beförderungsmittel, ist bereits als eine "geladene Waffe" bezeichnet worden, die ohne Waffenschein betrieben werden darf. Tatsächlich kostet der Straßenverkehr allein in Deutschland pro Jahr rund 8000 Menschenleben, während sich etwa die Zahl der Mordopfer auf weniger als 1000 beläuft.

Aber während Morde und Körperverletzungen in der überwältigenden Mehrheit der Fälle von Männern begangen werden, zeigt die minutiöse Auswertung Verkehrsunfallstatistik ein differenzierteres Bild. "Frau am Steuer - Ungeheuer", ob in Cartoons gedruckt oder auf Klowände geschmiert, die einfache Formel für die weibliche Manövrierkunst gibt offenbar immer noch so viel Witz her, dass man sich ihrer im Volksmund gern bedient.

Dabei wurde das Klischee schon vor einiger Zeit durch publizierte Statistiken ausgeräumt, die längst in die Allgemeinbildung übergegangen sind. Danach lassen Frauen als das "besonnene" Geschlecht im Straßenverkehr viel mehr Vorsicht walten und sind viel seltener in einen Crash verstrickt. Längst bieten Versicherungen spezielle Tarife für Evastöchter an, die einen Bonus für deren geringere Unfallhäufigkeit gewähren.

Bei oberflächlicher Betrachtung der Unfallstatistik stimmt dieses neue Klischee mit der Realität überein, hebt der Diplom-Psychologe Hardy Holte von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch-Gladbach, in seinem Buch "Rasende Liebe - Warum wir aufs Auto so abfahren" (Hirzel Verlag, Stuttgart) hervor. "Im Jahr 1998 verunglückten annähernd vier Mal so viele Männer wie Frauen als Fahrer beziehungsweise als Fahrerin mit dem Auto tödlich."

Doch die absoluten Zahlen kehren einen entscheidenden Umstand unter den Teppich: Männer besitzen häufiger Autos und Führerscheine, und sie legen im Jahresdurchschnitt wesentlich mehr Kilometer zurück. Der Geschlechtervergleich ist also erst dann sinnvoll, wenn man die jährlich gefahrenen Kilometer in Rechnung stellt. "Dabei wird für Männer und Frauen berechnet, wie viele Crashs sich bei gleicher Anzahl zurückgelegter Kilometer ereignet haben", erläutert der Psychologe.

Selbst wenn man diese Feinheiten berücksichtigt, bleiben Crashs, die einen tödlichen Ausgang haben, immer noch eine Domäne des starken Geschlechts. "Danach ist in Deutschland für Männer das Risiko, in einem Verkehrsunfall getötet zu werden, um etwa 50 Prozent größer als für Frauen (in den alten Bundesländern um 40 Prozent, in den neuen Bundesländern um 56 Prozent).

Mehr Verletzungen bei Frauen

Richtet man seine Aufmerksamkeit jedoch auf die leicht und schwer Verletzten, kehrt sich die statistische Stoßrichtung plötzlich völlig um. Das Risiko, bei einem Verkehrsunfall verletzt zu werden, ist für Frauen erheblich größer, und zwar im Falle einer leichten Verletzung um das Doppelte, im Falle einer schweren um die Hälfte.

Die Tatsache, dass Männer häufiger als Frauen in einem Verkehrsunfall ums Leben kommen, könnte auf eine generell höhere Risikobereitschaft der Männer zurückzuführen sein. Die unheilvolle Allianz von Alkoholkonsum und Autofahren, wie sie bei Männern erheblich häufiger vorkommt als bei Frauen, spricht für diesen Verdacht. 59 Prozent aller Führerscheinbesitzenden sind Männer; an Unfällen mit Alkohol sind sie jedoch - überproportional - zu 90 Prozent beteiligt. Wenn man nun bedenkt, dass sich 40 Prozent aller tödlichen Pkw-Alleinunfälle unter Alkoholeinfluss ereignen, wird deutlich, wie sehr Trunkenheit am Steuer die Statistik der im Straßenverkehr tödlich verunglückten Männer beeinflusst.

Ein weiteres Indiz für das riskantere und häufig auch verantwortungslosere Verhalten der Männer hinterm Steuer zeigt sich in der Anschnallquote. Männer legen seltener den Gurt an als Frauen, in Deutschland um etwa fünf Prozent und in den USA um etwa zehn Prozent. Nicht angeschnallt waren im Jahr 1996 in den USA 72 Prozent der tödlich verunglückten Männer und 53 Prozent der tödlich verunglückten Frauen. In einer jüngst veröffentlichten Studie der BASt über die Ursachen nächtlicher Freizeitunfälle Jugendlicher und junger Erwachsener waren 39 der 65 tödlich verunglückten Männer in einem Zeitraum von zwei Monaten nicht angeschnallt. Bei den acht tödlich verunglückten Frauen hatte eine von ihnen den Gurt nicht angelegt.

Mit Bleifuß unterwegs

Eine "nicht angepasste" Geschwindigkeit ruft zwar nach Berechnungen des statistischen Bundesamtes bei beiden Geschlechtern häufig Unfälle hervor - bei den Männern mit 18 Prozent jedoch deutlich häufiger als bei den Frauen (zwölf Prozent). Unfallanalysen bestätigen, dass Männer generell mit einem höheren Tempo verunglücken als Frauen. "Wer nun aber daraus schließt, Männer fahren allgemein schneller als Frauen, der urteilt voreilig", warnt Holte. Bei systematischen Verkehrsbeobachtungen auf Landstraßen fand er keinen Hinweis, dass Männer generell stärker auf die Tube drücken. Allerdings handelte es sich um Beobachtungszeitpunkte, in denen wenig Freizeitfahrten vorkommen. "Raserei" ereignet sich aber überdurchschnittlich häufig im Freizeitverkehr und bei Nacht.

Wenn Raserei wirklich eine männliche Untugend wäre, müssten Männer überproportional häufig im Netz von Radarfallen und Verkehrskontrollen hängen bleiben. Wie aus dem Flensburger Verkehrszentralregister hervorgeht, betrug dort der Zugang an Männern im Jahr 1996, die um mehr als 20 Kilometer pro Stunde schneller als erlaubt gefahren sind, annähernd 80 Prozent. Zieht man beim Vergleich wiederum die in einem Jahr gefahrenen Kilometer als Korrekturgröße heran, ergibt sich, dass Männer fast vier Mal so oft die zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50 Stundenkilometer überschreiten wie Frauen.

Neben dem Alkohol, dem Gurtanlegen und der Geschwindigkeit lassen sich aber noch eine Reihe weiterer Faktoren aufzählen, die sich auf das unterschiedliche Unfall- oder Verletzungsrisiko beider Geschlechter auswirken können. Im Vergleich zu Frauen fahren Männer häufiger leistungsstärkere Autos. Wie Unfallforscher herausgefunden haben, rufen die Fahrer solcher "Karossen" häufiger Unfälle hervor.

Sind Frauen also nur deshalb häufiger leicht- oder schwerverletzt als Männer, weil sie häufiger einen Kleinwagen fahren? Oder liegt es gar daran, dass Frauen durch ihre Anatomie an der Halswirbelsäule besonders verletzbar sind? Das könnte dazu führen, dass sie sich bei gleichen Unfällen größere Verletzungen zuziehen als die Herrn der Schöpfung. Bleibt aber immer noch die Frage, warum diese Verletzungen seltener tödlich sind.

Rolf Degen

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