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Gesundheit: Bald ruft der verlorene Schlüssel per Internet an

Wer zu den bedauernswerten Menschen gehört, die ständig auf der Suche nach Dingen sind, die sich auf geheimnisvolle Weise von ihrem ursprünglichen Ort fortbewegen, kann sich über einen aktuellen Trend der Technik freuen. Denn winzige Chips sollen dabei helfen, verloren gegangene Gegenstände wieder zu finden.

Wer zu den bedauernswerten Menschen gehört, die ständig auf der Suche nach Dingen sind, die sich auf geheimnisvolle Weise von ihrem ursprünglichen Ort fortbewegen, kann sich über einen aktuellen Trend der Technik freuen. Denn winzige Chips sollen dabei helfen, verloren gegangene Gegenstände wieder zu finden. Die neue Technik heißt "Ubiquitous Computing". Sie lässt sich durch die Allgegenwart winziger Rechner charakterisieren.

Derartige Mikrorechner sollen mit den Gegenständen des täglichen Lebens eine unsichtbare Symbiose eingehen und nur dann in Aktion treten, wenn sie tatsächlich benötigt werden. Aber was bedeutet das für den Alltag des Normalverbrauchers? "Da wäre die Kaffeemaschine zu nennen, die zusammen mit Tasse und Zuckerdose die tägliche Zufuhr an Koffein und Zucker überwacht und bei zu starkem Konsum zu entkoffeiniertem Kaffee mit Süßstoff rät. Dazu gehört aber auch die Sonnenbrille, die beim zufälligen Treffen eines alten Bekannten dessen Vornamen einblendet und dadurch dem Vergesslichen auf die Sprünge hilft", erklärte Friedemann Mattern, Computerexperte an der ETH Zürich jüngst auf einer Tagung der Informationstechnischen Gesellschaft im Verband der Elektrotechnik (VDE) und der Gesellschaft für Informatik (GI).

"Das digitale Radio wird quasi als Übergang den Weg in die nächste Computergeneration vorbereiten", prophezeit Arndt Bode, Hochschullehrer am Institut für Informatik der TU München. Bode denkt dabei nicht an den besseren Klang, sondern eher an vielfältige Vernetzungsmöglichkeiten, die dem Hörer künftig einen interaktiven Zugriff auf zusätzliche Infos und Serviceleistungen der Sender gestatten können.

Bereits in wenigen Jahren könnten Minichips in diversen Alltagsgegenständen wie zum Beispiel in Kleidungsstücke integriert werden, schätzt Bode. Der Aufenthaltsort eines verloren gegangenen Anzugs in der chemischen Reinigung lasse sich dann über das Internet ebenso verfolgen wie der Weg einer Postsendung. Die integrierten Mikrorechner könnten dabei helfen, verlegte Gegenstände wie Brillen, Schlüsselbunde oder Bücher über mobile und mit dem Internet verbundene Endgeräte - Laptop oder Handy beispielsweise - durch den Aufruf einer bestimmten Web-Adresse wiederzufinden.

Vermisste aufspüren

Noch gar nicht abzusehen sind die vielfältigen Möglichkeiten, die in die Garderobe integrierte Miniatur-Rechner bieten werden: So lassen sich Kinder auf dem Schulweg überwachen oder vermisste Personen - zum Beispiel Alzheimer-Patienten - wieder finden. Auch der Strafvollzug bekäme Entlastung, wenn Inhaftierte unter bestimmten Voraussetzungen aus der Vollzugsanstalt entlassen und unter kontrollierbaren Hausarrest gestellt würden.

Christian Müller-Schloer, Direktor des Instituts für Rechnerstrukturen und Betriebssysteme der Universität Hannover, geht noch einen Schritt weiter: "Die logische Weiterentwicklung des am Körper getragenen Rechners ist der in den Körper implantierte Chip", erklärt er. Dies könnten Sensoren sein, die biometrische Daten an einen zentralen Rechner und weiter zu einer medizinischen Überwachungsstelle leiten.

Biotronik schon im Versuch

Ebenfalls noch Zukunftsmusik sind elektronische Hilfen für Behinderte, mit denen Reize von Nervenfasern auf elektronische Sensoren übertragen werden. Dabei sendet der Computer Signale aus, die die noch intakten Nervenzellen dazu stimulieren, elektrische Impulse an das Gehirn zu senden. Umgekehrt soll der Rechner auch in der Lage sein, Signale vom Gehirn zu verarbeiten und gelähmte Gliedmaßen zumindest partiell zu reaktivieren. "Solche Einsätze befinden sich in den USA bereits im Versuchsstadium", erklärt Müller-Schloer.

Voraussetzung für "Ubiquitous Computing" sei allerdings der permante Zugang zu den verschiedenen Netzen. Bei der Festlegung von Standards werde das Internetprotokoll eine zentrale Rolle spielen. Schließlich müssen die verwendeten Programme gut miteinander auskommen können - was heute ja selbst beim PC noch Probleme bereitet.

"Die Hardware ist spottbillig," ergänzt Bode: Der Preis für Minirechner in Textilien werde maximal eine Mark betragen. Momentan sei es aber noch zu teuer, die gesamte Umgebung für den Mobilfunk fit zu machen. Müller-Schloer zufolge werde man diese Hürde jedoch auch bald nehmen. Die Mobiltelefonie, insbesondere aber das GSM-System, habe die Märkte hierfür geöffnet. "Europa ist ein Vorreiter auf dem Gebiet der drahtlosen Technologien." argumentiert er. Auch aus diesem Grund biete sich in Europa eine ausgezeichnete Basis für Forschung und industrielle Nutzung der für das Ubiquitous Computing notwendigen Technik.

Mattern spricht angesichts der atemberaubenden Entwicklungen bereits von einem Paradigmenwechsel. "Die Visionen von intelligenten Alltagsobjekten, sogenannten Smart Devices, in Verbindung mit einer umfassenden Informatisierung und Vernetzung beinahe beliebiger Dinge scheinen bereits in wenigen Jahren realisierbar zu sein", prophezeit er. Dies werde eine dramatische Änderung des Nutzerverhaltens nach sich ziehen. Mattern kann sich gut vorstellen, dass das "computing without computers" schon bald beliebter sein wird als der Gebrauch des heimischen Personalcomputers.

Rolf Froböse

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